Von Big Data zu relevanten Kennzahlen

Die Zunahme der Vernetzung in der Produktion, um im Sinne einer smarten Fabrik schneller und flexibler auf Kundenanforderungen reagieren zu können, führt zwangsläufig zu mehr Daten. Die Kunst ist es, aus diesen Massendaten zur richtigen Zeit die richtigen Informationen herauszufiltern und diese in Wissen und proaktives Handeln umzuwandeln. Dieser Beitrag zeigt einige Beispiele.

 (Bild: Trebing & Himstedt - Prozeßautomation GmbH & Co. KG)

(Bild: Trebing & Himstedt – Prozeßautomation GmbH & Co. KG)


Haben in der Vergangenheit Produktionsanlagen einfach munter ‘vor sich hinproduziert’, sind sie heute Teil einer vernetzten Wertschöpfungskette mit ERP-System, Vorproduktion, Lager, Logistik, Lieferanten et cetera. War die Maschine vormals in einem festen Wartungszyklus mit definierten Wartungsfenstern, wird heute der Gesundheitszustand mittels Sensoren permanent überwacht und auch eine Vielzahl von Produktionsparametern fließt kontinuierlich in das Produktionsnetzwerk ein. Welche Materialien wurden bei welchen Umgebungsparametern und unter welchen Produktionsbedingungen in welchem Endprodukt verbaut? Alle Sensoren, Scanner und manuellen Eingabemasken liefern somit sekündlich oder noch schneller eine riesengroße Anzahl von Daten, die ein Mensch mit Excel-Tabelle nicht mehr sinnvoll auswerten kann. Speicherplatz ist zwar mittlerweile für wenige Cent pro Megabyte zu haben, aber bei kontinuierlichen Produktionsprozessen sind einige Terabyte pro Werk in der Hightech-Fertigung keine Seltenheit. Daher ist es sinnvoll, sich vorab Gedanken zur Nutzung der zu sammelnden Daten zu machen. Anwendungen in der Fertigung, um aus Big Data Visualisierungen und Kennzahlen abzuleiten, sind beispielsweise:

  • • Visuelle Werkerführung
  • • Analytics und Visualisierung von Produktionskennzahlen oder
  • • Wartungseinsätze und Qualität vorhersagen

Im Bereich der Werkerführung kann Big Data helfen, Kontext-sensitive elektronische Arbeitsanweisungen anzuzeigen und abzuarbeiten. In Echtzeit können Produktionsänderungen umgesetzt und am Arbeitsplatz angezeigt werden. Auf Basis von geprüften Arbeitsschritten können Materialien für die Weiterverarbeitung gesperrt oder freigeben werden. Aktivitäten, Materialien und sämtliche Produktionsparameter werden vollautomatisch für spätere Rückverfolgbarkeit im Hintergrund verbucht. Die Produktion wird einfacher. Die Analyse und Visualisierung von Produktionskennzahlen aus dem Fertigungsprozess helfen, den aktuellen Stand schneller zu erkennen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse einzuleiten. Das viel zitierte, sprichwörtliche schwarze Loch wird mithilfe von Analytics ausgeleuchtet. Die Produktion wird transparenter.

Wartungseinsätze und Qualität vorhersagen

Predictive Maintenance und Predictive Quality dienen dazu, ungeplante Ausfallzeiten und Fehlproduktionen zu vermeiden, Durchlaufzeiten zu beschleunigen und Ausschuss zu minimieren. Die Produktion wird vorhersagbarer. Um aus Daten, Informationen und daraus wiederum Wissen zu gewinnen, bedarf es dreier Schritte:

  • • Mittels Sensoren messen (Sense)
  • • Beobachten, analysieren und vorhersagen (Monitor, Analyze, Predict)
  • • Maßnahmen ableiten und umsetzen (Act)

Sowohl Predictive Maintenance als auch Predictive Quality leisten einen Wertbeitrag zur klassischen Overall Equipment Effectiveness-Kennzahl. Zur Datenerfassung gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, um sie manuell, halbautomatisch oder vollautomatisch digital in das System zu bringen. Die klassische Maschinendatenerfassung (MDE) oder Betriebsdatenerfassung (BDE) sind aus Manufacturing Execution-Systemen (MES) bereits weit verbreitet. Zahlreiche Sensoren bringen heute darüber hinaus weitere Verarbeitungs- und Umgebungsparameter in die Datenbank. SAP hat hierfür eigens eine Plant Connectivity-Komponente (SAP PCo) im Programm, die über standardisierte Schnittstellen wie OPC oder Webservices kommunizieren können. Eine weitere SAP-Komponente, die speziell für das Internet of Things-Umfeld entwickelt wurde, ist der SAP IoT-Connector. Ist im Produktionsumfeld ein Manufacturing Execution-System oder die Integrationsplattform SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) im Einsatz, werden die erfassten Daten über das MES oftmals in einer zentralen Datenbank wie SAP Hana erfasst. Für spezielle Anwendungen ist sogar eine Hana Cloud-Instanz sinnvoller Weise im Einsatz. Daten sammeln und in eine Datenbank schreiben hilft allerdings noch nicht weiter, sich von Wettbewerbern unterscheiden zu können. Wichtig ist es nun, schnell und vor allem die richtigen Schlüsse aus den Datenmengen zu ziehen. Ein guter Einstieg, um Produktionskennzahlen schnell im Blick zu haben, ist die Overall Equipment Effectiveness-Analyse. Basierend auf SAP MII gibt das SAP OEE Management die Möglichkeit, anhand eines einfachen Dashboards die wichtigsten Kennzahlen mit Ampelfarben schnell im Blick zu haben. Stillstände und Störungen werden ebenfalls angezeigt. Über Eingabemasken dient das Dashboard als BDE und somit hat der Werker ein nützliches Arbeitswerkzeug für die Überwachung an der Hand. Für eine genauere Analyse beispielsweise im Rahmen eines KVP-Meetings (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) bietet SAP OEE mit Hana eine geeignete Analyseplattform. Diese unterstützt nicht nur das Team im Shopfloor bei der täglichen Arbeit, sondern ermöglicht auch werksübergreifendes Reporting. Das ist wichtig, um auf Grundlage einer gleichen Datenbasis auch wirkliche Vergleichbarkeit der Leistungen sicherzustellen. Sollen spezielle Kennzahlen zum Beispiel für die Zielerfüllung auf einem Andon Board in der Werkhalle verständlich visualisiert werden, bieten sich mit der SAP Self Service Composition Environment zahlreiche Darstellungsformen wie Tabellen, Balken- und Kreisdiagramme an, die per Drag and Drop einfach selber zusammengestellt und angepasst werden können.

Maßnahmen ableiten

Auf der nächsten Ebene geht es dann darum, aus der Analyse auch Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können. Kann der Eilauftrag noch produziert werden, obwohl das Wartungsintervall überschritten ist? Wann fällt die Maschine vermutlich aus oder welche Qualität wird das Produkt unter den gegebenen Umständen haben? Damit lassen sich Fehler erkennen und beheben bevor diese überhaupt entstehen. Das spart Zeit und Kosten und steigert die Kundenzufriedenheit. Hier spielen Big Data und Cloud-Dienste eine ganz entscheidende Rolle, denn um Muster erkennen und Vorhersagen treffen zu können, bedarf es einer gewissen Datenbasis und Rechenleistung. Bei den Themen Stillstände vermeiden und Ausfallzeiten reduzieren, kann Predictive Maintenance zukünftig große Hilfestellungen leisten, denn der kürzeste Stillstand ist der, der gar nicht erst entsteht. Insbesondere ungeplante Stillstände zu vermeiden oder geplante Stillstände zu optimieren, liefert unmittelbar einen direkten Wertbeitrag. Aus gelernten Mustern, Rahmenbedingungen und Konditionen können Ausfallwahrscheinlichkeiten vorhergesagt und somit Wartungsleistungen gezielt nach Bedarf und nicht nach Zeitplan vorgenommen werden. Anhand dieser wenigen Beispiele auf Basis gesammelter Daten und Analysen im Produktionsumfeld zeigt sich, wie vielfältig die Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten von Big Data sind. Und hat man erst einmal angefangen, die Daten auszuwerten, werden von den Anwendern und Geschäftsbereichen sehr schnell neue, eigene Anwendungsfelder entwickelt und gewünscht. Daher kann es wichtig sein, von vornherein auf ein flexibles Standard-System zu setzen und schon bei der Datensammlung auf weitreichende Einsatzmöglichkeiten zu achten und lieber erst einmal zu viel als zu wenig zu sammeln. Um aus den gesammelten Daten dann auch nützliche Informationen und aktive Handlungen ableiten zu können, bedarf es dann noch einer einfachen Bedienung, integrierter Visualisierungsmöglichkeiten und eine durchgehende Vernetzung, um zum Beispiel aus dem vorherberechneten Wartungsbedarf auch digital und ohne Medienbruch einen Wartungsauftrag für die Instandhaltung generieren zu können.

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