Die Frage nach dem Recht an Daten

I. Die Rolle von Daten im Wirtschaftsverkehr

Daten werden aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung als das “neue Öl des Internets und neue Währung der digitalisierten Welt” angesehen (Meglena Kuneva, Rede vom 31.03.2009, SPEECH/09/156). Beispielsweise im Rahmen von Smart-Analytics Verfahren werden Funktions- und Verbrauchsdaten von Produktionsanlagen durch an der Maschine angebrachte Sensoren (“Smart Factory”) erfasst oder Nutzungsdaten von internetfähigen TV-Geräten (“Smart TV”) gesammelt. Aber auch im Rahmen der Industrieproduktion (“Industrie 4.0”) und im vernetzten Auto (“Connected Car”) fallen immer größere Datenmengen an. Daten wohnt immer häufiger ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert inne, der einem Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Daher stellt sich die Frage, wem die Rechte an diesen Daten zustehen.

1. Abgrenzung personenbezogene Daten und maschinengenerierte Industriedaten

Personenbezogene Daten sind solche Einzelangaben bzw. Informationen, die gem. § 3Abs. 1 BDSG und Art. 4 Nr. 1 Datenschutzgrundverordnung (gültig ab 25.05.2018) einer bestimmten bzw. identifizierten oder bestimmbaren, identifizierbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Bei derartigen Daten stellt sich aufgrund der Möglichkeit, ein solches Datum einer bestimmten Person zuzuordnen, im Regelfall nicht gleichermaßen die problematische Frage des Rechts an diesen Daten, da bei personenbezogenen Daten Rechtsinhaber derjenige ist, der von der Datenerhebung betroffen ist. Eine übertragbare Rechtsposition und damit uneingeschränkte Herrschaft über die Daten wird durch den datenschutzrechtlichen Schutz jedoch nicht erlangt (Zech, CR 2015, 137, (141)). Maschinengenerierte Daten sind solche Informationen, die durch Messung, Beobachtung, statistische Erhebung oder sonstige Aktivität durch eine Maschine oder ein Produkt gesammelt oder gespeichert werden. Dies sind beispielsweise Informationen wie Betriebsstunden, Druck, Temperatur, Kraftstoffdurchfluss und Stromverbrauch. Bei diesen Daten besteht bisher keine explizite gesetzliche Regelung, welche die Nutzung oder Erhebung dieser Daten regelt.

2. Der Begriff von Big Data

Im Zusammenhang mit dem Recht an Daten ist auch der Begriff “Big Data” näher zu betrachten. Er wird verwendet, um den Einsatz großer schnell wachsender Datenmengen und deren Speicherung in Hochleistungsdatenbanken zu beschreiben (Bitkom, Leitlinien für den Big Data Einsatz, S. 14). Big Data ermöglicht unter anderem die Erstellung von Nutzerprofilen oder die Herleitung von wirtschaftlich verwertbaren Korrelationen (Werkmeister/Brandt, CR 2016, 233). Durch eine Big Data Analyse kann ein Unternehmen beispielsweise zielgerichtet Marketing betreiben, aber auch Prozesse optimieren oder seine Produkt verbessern. Im Rahmen von Industrie 4.0 am Beispiel der Smart Factory erfolgt die Optimierung der Produktionsabläufe aufgrund der Vielzahl der Messdaten, die durch Sensoren an den Maschinen erfasst werden. Um auch diese Messdaten in den Analyseprozess aufnehmen zu können und dadurch die Auswertung und Wertschöpfung zu verbessern, ist zu klären, wem diese Daten letztlich zuzuordnen sind. Darf etwa ein Produktionsunternehmen diese Daten überhaupt verwenden, oder gehören diese zum Beispiel dem Hersteller der Maschine, welchen man zuerst um Erlaubnis fragen müsste?

II. Zuordnung der Daten

1. Eigentum an Daten?

Besteht nach der aktuellen Gesetzeslage überhaupt ein Eigentum an Daten? Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache über diese nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Damit verleiht das Eigentum einerseits positiv ein umfassendes Nutzungsrecht und andererseits kann der Eigentümer andere von der Nutzung ausschließen (negatives Abwehrrecht). Voraussetzung des § 903 BGB ist jedoch, dass Daten eine Sache darstellen. Sachen sind gem. § 90 BGB jedoch nur körperliche Gegenstände. Darunter fällt zwar das physische Medium auf dem Daten gespeichert sind. Daten selbst sind jedoch gerade nicht verkörpert, sodass kein durch das Eigentum begründetes Nutzungsrecht an den Daten besteht.

Um dennoch ein eigentumsähnliches Recht an Daten zu begründen, ist zu überlegen, ob das Recht an Daten als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. § 823 Abs. 1 BGB schützt aber nur die in der Vorschrift aufgezählten absoluten Rechte wie den Körper, das Leben, die Gesundheit und neben dem Eigentum auch sonstige Rechte. Über die Norm kann der Rechtsinhaber Eingriffe in sein Recht abwehren und bei einer Verletzung Schadensersatz verlangen. Voraussetzung für die Einordnung als absolutes Recht ist aber, dass das Recht Wirkung gegenüber jedermann entfaltet. Zwar erkennt die Rechtsprechung an, dass Datenbestände zu den selbstständigen vermögenswerten Gütern gehören (BGHZ 133, 155). Die Annahme eines absoluten Rechts an Daten konnte sich bisher jedoch nicht durchsetzen. Außerdem ist unter Juristen umstritten, ob die Einordnung als sonstiges Recht neben der Abwehrkomponente auch die positive Nutzungsbefugnis beinhalten soll. Dahin gehen die Überlegungen, wenn man solche Daten als “Splitter” des allgemeinen Persönlichkeitsrecht ansieht, für welches der BGH (BGH, GRUR 200, 709) eine vermögensrechtliche Stellung der betreffenden Person anerkannt hat (Bräutigam, MMR 2012, 635).

Kann man vielleicht ein Recht an Daten aus den strafrechtlichen Normen der §§ 202a-c, 303a StGB herleiten, in dem man diese als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 ansieht? Die §§ 202a-c, 303a StGB stellen unter bestimmten Umständen das Ausspähen von geschützten Daten sowie die Beeinträchtigung von deren Integrität von Daten unter Strafe. Zwar ist unter den Juristen anerkannt, dass eine Verletzung von §§ 202a-c, 303a StGB auch zivilrechtliche Ansprüche (z. B. Schadensersatz, Unterlassung) auslöst, die der Verletzte über § 823 Abs. 2 BGB durchsetzen kann. Daraus allein folgt jedoch keine ausschließlichkeitsrechtliche Zuweisung von Daten im Sinne eines “Eigentums” (Specht, CR 2016, 288 (289)). Im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Zuordnung von Daten wird ein zivilrechtlicher und strafrechtlicher Schutz über das “Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen” (§§ 17, 18 UWG) herbeigeführt. Diese Regelungen führen aber wiederum nicht zu einem eigentumsähnlichen Schutz an Daten, sondern nur zu einem Abwehrrecht hinsichtlich der unbefugten Mitteilung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, die möglicherweise in den Daten enthalten sind. Ein urheberrechtlicher Schutz von Big Data gem. § 4 Abs. 2 UrhG als Datenbank setzt voraus, dass ein Sammelwerk, welches eine auf Grund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, vorliegt. Eine nach § 4 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfung ist bei einer reinen Datenansammlung in der Regel aber gerade nicht gegeben, sodass ein urheberrechtlicher Schutz hier ausscheidet.

In Betracht könnte noch ein Schutz des Datenbankherstellers gem. § 87a UrhG kommen. Eine Datenbank ist nach § 87 a UrhG eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Big Data ist oftmals gerade nicht im herkömmlichen Sinne nach einer bestimmten Weise geordnet. Abzugrenzen ist daher das Vorliegen einer Datenbank vom Vorliegen eines bloßen “Datenhaufens”, der mangels Vorliegen einer systematischen oder methodischen Ordnung sowie Fehlens eines Zugangs mit elektronischen Mitteln nicht dem Schutz der §§ 87a ff. UrhG unterfallen kann (Götz, ZD 2014, 563, (565)).

Nach Erwägungsgrund 21 der Datenbankrichtlinie (RL 96/9/EG ) ist es nicht erforderlich, dass eine physische Speicherung der Daten in geordneter Weise erfolgt. Maßgeblich ist allein, ob auf der Zugriffsebene der Nutzer die einzelnen Elemente systematisch und methodisch recherchieren kann. Das ungeordnete Einspeisen in den physischen Speicher ist insofern für Datenbanken typisch (Thum/Hermes, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 87a, 21). Ausreichend ist damit, wenn erst das Abfragesystem die schutzbegründende systematische oder methodische Ordnung herbeiführt (Erwägungsgrund 21 der DatenbankRL; OLG Köln, MMR 2007; 443). Letztlich kann aber auch das Datenbankherstellerrecht nicht zu einem Ausschließlichkeitsrecht am Datum selbst führen, sodass auch aus §§ 87a ff. keine eigentumsähnliche Rechtseinräumung folgen kann.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass nach herrschender Auffassung nach geltendem Recht weder ein Eigentum an Daten im Sinne des § 903 BGB besteht noch ein dem Eigentum vergleichbares Recht mit absoluter Wirkung an selbigen. Über § 17 UWG oder §§ 87a ff. UrhG werden dem Berechtigen zwar Abwehrrechte gegeben, diese führen jedoch mangels Zuweisung eines umfassenden Nutzungsrechts nicht zu einem dem Eigentum gleichstehenden Schutz.

2. Zuweisung der Daten

Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der eigentumsrechtlichen Zuweisung bleibt die Frage nach der Zuweisung der Daten zu beantworten. Insbesondere Unternehmen haben ein Interesse daran, dass die Zuweisung von Daten zu demjenigen erfolgt, der in deren Herstellung investiert, unabhängig von einem Personenbezug (Specht, CR 2016, 288, (291)). Die Zuweisungsentscheidung wird letztlich aus wirtschaftlicher Sicht getroffen.

Streitig ist dabei aber, auf welche wirtschaftlichen Gesichtspunkte in diesem Zusammenhang abzustellen ist. Nachfolgend wird exemplarisch auf verschiedene Konstellationen einer problematischen Zuordnung eingegangen.

Die Frage der Zuweisung der Daten stellt sich zum Beispiel, wenn der Hersteller Daten auswerten möchte, die im Rahmen der Nutzung durch den Kunden entstehen. Solche Daten sind beispielsweise bei der Nutzung eines Automobils generierte Messdaten. Teilweise wird vertreten, dass diese Daten dem Betreiber der Maschine, also dem Halter zuzurechnen sind, da der Betrieb der für die Entstehung der Daten maßgebliche Skripturakt ist (Hoeren, MMR 2013, 486). Die Sicht der Hersteller geht dahin, dass ihnen die Daten aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für die Herstellungs- und Entwicklungskosten, der die Daten erfassenden Technologie, zuzuweisen sind. Dabei wird bei letzterer Auffassung die Zuordnung noch komplizierter, wenn mehrere Unternehmen an der Erstellung der Technologie beteiligt sind. Bei der Analyse von Big Data ist die Zuweisung ebenfalls nicht einfach zu treffen. Problematisch ist diese insbesondere, wenn Daten ausgewertet werden, die vom Dienstleister erhoben worden sind (bspw. bei Smart-Analytics Verfahren). Nach Ansicht der Dienstleister sind die Daten ihnen zuzuordnen, weil sie Träger der wirtschaftlichen Aufwände sind und sie auch als Datenbankhersteller i. S. d. § 87a UrhG anzusehen sind (Peschel/Rockstroh in DSRITB 2014, 309 (313)). Die Zuweisung bei Speicherung von Daten in der Cloud ist wie oben zu behandeln und in diesem Zusammenhang nach der wirtschaftlichen Zuweisung zu fragen. Allerdings enthalten die Verträge der Cloud-Anbieter in aller Regel Dateneigentumsklauseln, die dem Cloud-Nutzer die Rechte an den Daten zuweisen.

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