Wie die Wirklichkeit von künstliche Intelligenz aussieht

Dystopie oder Utopie?

Überwachung, Kontrollverlust und Überlegenheit gehören zu den Assoziationen, mit denen viele Menschen künstliche Intelligenz (KI) in Verbindung bringen. Handelt es sich hier um berechtigte Einwände oder schiere Übertreibung? Wie sieht die Realität aus?

(Bild: ©vegefoxcomAdobeStock.com)

Laut einer Meinungserhebung von Pegasystems finden etwa 70 Prozent von 6.000 weltweit befragten Personen künstliche Intelligenz generell beunruhigend. Davon glauben 24 Prozent, Roboter könnten sich irgendwann gegen den Menschen wenden und sogar so weit gehen, ihn zu versklaven. Bei dieser Vorstellung von superintelligenten Maschinenwesen, die die Weltherrschaft an sich reißen, handelt es sich um ein Bild, das dem Science-Fiction-Bereich entstammt. Filme wie ‘Terminator’, ‘Matrix’ und ‘I, Robot’ zeigen oft eine dystopische Darstellung. Jenes Porträt schwelt auch im Hintergrund der aktuellen Debatte. Die Warnungen vor dem Einfluss künstlicher Intelligenz auf die Menschheit vonseiten einiger Experten, darunter der 2018 verstorbene Physiker Stephen Hawking, haben zudem die generelle Unsicherheit nicht beseitigt. Viel hat KI gegenwärtig nicht mit der dystopischen Zukunftsvorstellung aus der Science-Fiction-Welt zu tun: Alle bisher gängigen Technologien basieren auf sogenannten schwachen KI-Systemen, die im Prinzip auf nichts weiter als einer fortschrittlichen Art der Softwareprogrammierung beruhen. Im Vergleich zu starker KI sind solche Systeme nicht mit der Intelligenz von Menschen gleichzusetzen, da sie sich auf die Lösung konkreter Probleme konzentrieren.

Dennoch existieren bereits jetzt schon eine Vielzahl unterschiedlicher Einsatzgebiete, in denen KI in autonomer, assistierender oder kooperativer Form Verwendung findet. Beispielsweise im Finanzwesen, wo täglich eine gewaltige Masse von Daten anfällt, erweist sich der Einsatz von KI als überaus hilfreich. Erste Systeme gehen dabei über die einfache Datenauswertung hinaus, indem sie die ihnen analysierten Informationen nach Abhängigkeiten zueinander aufbereiten, Chancen erfassen und Trends ermitteln. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Informationen auswerten, sondern auch Prognosen erstellen. Im Bereich der Industrie 4.0 etwa planen und steuern sogenannte Automated Guided Vehicles (AGVs) selbstständig intralogistische Aufgaben und auch bei der medizinischen Diagnostik liefert KI nicht nur präzise Befunde, sondern auch zuverlässige Prognosen, wie etwa bei der Krebserkennung. Die Möglichkeiten erscheint jedoch noch viel größer.

Potenzial für die Industrie

Ihr bisher größtes Potenzial, eine Branche von Grund auf zu optimieren, offenbart KI in Form (teil-)autonomer Systeme im industriellen Sektor. Die Digitalisierung hat in diesem Bereich für die Vernetzung von Produktionsmitteln und Bauteilen gesorgt, nun fungiert KI als Schnittstelle, indem sie die dabei entstandenen Daten verarbeitet und für die Verknüpfung und Optimierung von Prozessen nutzt. So finden KI-Systeme in sämtlichen Industrie 4.0-Bereichen Verwendung: von der Herstellung über die Logistik und Vermarktung bis hin zur Nutzung von Produkten inklusive ihrer Wiederverwertung. Wesentliche Technologien stellen in diesem Zusammenhang maschinelles Lernen, Sensorik und Robotik dar, die eine teilweise oder vollständige Autonomisierung von Prozessen und Anwendungen ermöglichen. Anlagen optimieren sich beispielsweise selbst, indem sie noch während des Fertigungsprozesses eigenständig Analysen vornehmen und den Vorgang gegebenenfalls anpassen. Einen Schritt weiter geht das Konzept des Learning Warehouse, das eine Reihe unterschiedlicher KI-Technologien miteinander verknüpft. Dabei planen und steuern selbstlernende Lagersysteme mithilfe der mobilen Robotik intralogistische Vorgänge wie etwa den Transport und die Positionierung von Waren.

Auf Basis des maschinellen Lernens sammelt das System neue Erkenntnisse, mit denen es sich auch an tagesaktuelle Situationen anpasst. Durch Hinzuziehen von Wetterinformationen und Daten aus der letzten Saison weiß das System beispielsweise, welche Produkte in der Vergangenheit an heißen Tagen eine besonders hohe Nachfrage aufweisen und kann die Lagerordnung entsprechend anpassen oder größere Bestellungen aufgeben. Demnach zeigt sich vor allem im Falle unvorhergesehener Umstände und dem diesbezüglich benötigten Problemlösungsvermögen das Potenzial autonomer KI-Systeme. Eigenständig lernende Technik, selbstoptimierende Maschinen, autonom agierende Roboter – wie passt der Mensch in das Bild der künftigen, smarten Arbeitswelt? Trotz des hohen Potenzials, das künstliche Intelligenz in vielen Branchen zu versprechen scheint, überwiegt die Sorge des Menschen, von KI abgelöst zu werden. Selbstständig lernende und handelnde Systeme, die sich stetiger Verbesserung unterziehen, lösen Unbehagen bei Arbeitnehmern aus.

Doch in welchem Maße KI-Lösungen in der Arbeitswelt Platz finden, hängt immer noch stark vom jeweiligen Berufsfeld ab. Denn eine flächenübergreifende Umsetzung der Technologie in Unternehmen existiert noch lange nicht, zugleich lassen sich nicht alle Berufe automatisieren. Im industriellen Zweig kann künstliche Intelligenz mithilfe der Robotik durchaus für körperliche Entlastung beim Menschen sorgen – eine zwangsläufige Ablösung durch ihren mechanischen Kollegen bedeutet dies jedoch nicht. Die physische Unterstützung ermöglicht dem Fachpersonal vielmehr, sich anspruchsvolleren Tätigkeiten zu widmen. Sicherlich wird KI auch einige Berufsgruppen ablösen, wie jede neue Technologie schafft sie jedoch auch zahlreiche neue Jobs. Künstliche Intelligenz wird den Arbeitsmarkt verändern, das bedeutet aber nicht, dass der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft zugleich schwindet – lediglich eine Verlagerung der Aufgabenbereiche ist zu erwarten.

Weder gut noch böse

Weder gut noch böse, sondern eine völlig neutrale Position nimmt künstliche Intelligenz in unserer Gesellschaft ein. Dennoch scheint KI dem Laien noch zu abstrakt, weswegen die gegenwärtige Herausforderung darin liegt, die Technologie der breiten Masse näherzubringen. Denn Nachvollziehbarkeit schafft das nötige Vertrauen in das System, was wiederum die Basis für nachhaltige Akzeptanz bildet. Die Frage bleibt letztlich, wie der Mensch die Technologie nutzen will – das Potenzial, unsere Gesellschaft zu verbessern, ist dabei enorm: Durch die Übernahme einer Vielzahl von Routineaufgaben ermöglicht KI in der Arbeitswelt sowie im privaten Bereich nicht allein körperliche und geistige Entlastung, eine Steigerung der Effizienz und mehr Raum für die Entfaltung kreativer Ideen schafft sie darüber hinaus. Somit bleibt mehr Zeit, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Menschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Vom 22. bis zum 26. April wird Hannover zum Schaufenster für die Industrie. Neben künstlicher Intelligenz sollen insbesondere Produkte und Services für eine nachhaltigere Industrie im Fokus stehen.‣ weiterlesen

Eine Umfrage von Hewlett Packard Enterprise (HPE) unter 400 Führungskräften in Industrie-Unternehmen in Deutschland zeigt, dass zwei Drittel der Befragten den Data Act als Chance wahrnehmen. Der Data Act stieß unter anderem bei Branchenverbänden auf Kritik.‣ weiterlesen

Carbon Management-Technologien stehen im Fokus, um CO2-Emissionen zu reduzieren und zu managen. Die Rolle des Maschinenbaus und mögliche Entwicklungspfade betrachtet eine neue Studie des VDMA Competence Center Future Business.‣ weiterlesen

Deutsche Unternehmen nehmen eine zunehmende Bedrohung durch Cyber-Angriffe wahr. Das zeigt eine aktuelle Umfrage vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von 1&1 Versatel, an der mehr als 1.000 Unternehmensentscheider teilnahmen.‣ weiterlesen

Hohe Geschwindigkeit und hohe Erkennungsraten sind die Anforderungen an die Qualitätskontrolle in der Verpackungsbranche. Wie diese Anforderungen erreicht werden können, zeigt das Unternehmen Inndeo mit einem Automatisierungssystem auf Basis von industrieller Bildverarbeitung und Deep Learning.‣ weiterlesen

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company könnten Unternehmen ihre Produktivität durch digitale Tools, Industrie 4.0-Technologien und Nachhaltigkeitsmaßnahmen steigern. Deren Implementierung von folgt oft jedoch keiner konzertierten Strategie.‣ weiterlesen

Jeder zweite Betrieb investiert laut einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall zu wenig am Standort. Demnach verfügen rund 48 Prozent der Unternehmen über eine Transformationsstrategie. Zudem sehen die Betriebsräte ein erhöhtes Risiko für Verlagerungen.‣ weiterlesen

Ob es sich lohnt, ältere Maschinen mit neuen Sensoren auszustatten, ist oft nicht klar. Im Projekt 'DiReProFit' wollen Forschende dieses Problem mit künstlicher Intelligenz zu lösen.‣ weiterlesen

Ziel des neuen VDMA-Forums Manufacturing-X ist es, der zunehmenden Bedeutung von Datenräumen als Basis für neue, digitale Geschäftsmodelle Rechnung zu tragen. Wie der Verband mitteilt, soll das Forum auf dem aufbauen, was in der letzten Dekade durch das VDMA-Forum Industrie 4.0 erarbeitet wurde. ‣ weiterlesen

Wie kann eine Maschine lernen, sich in unserer Lebenswelt visuell zu orientieren? Mit dieser Frage setzen sich die Wissenschaftler am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) aktuell auseinander – und entwickeln Lösungen.‣ weiterlesen

Die seit 2020 geltende staatliche Forschungszulage etabliert sich im deutschen Maschinen- und Anlagenbau mehr und mehr als Instrument der Forschungsförderung. Ein wachsender Anteil der Unternehmen nutzt die Forschungszulage. Besonders geschätzt werden die verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten sowie der erleichterte Zugang zur staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE).‣ weiterlesen