Geschäftsmodelle im Wandel

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(Bild: Blu Beyond GmbH)

Digitale Wertschöpfung in der Praxis

In einem Beispiel wurden Rollcontainer digitalisiert, um dem Ziel einer papierlosen Fabrik näherzukommen. Bei der Implementierung hat sich herausgestellt, dass sich aus den generierten Daten ebenfalls die ungefähr zurückgelegte Strecke je Rollcontainer berechnen lässt. Aus diesen Werten konnten die Wartungskosten dieser Container um 30 Prozent gesenkt werden. Das war zu Beginn des Projektes aber in keiner Weise im Fokus. Führt man eine Plattform zur Realisierung von Industrie 4.0 ein, geht es meist um eine ganzheitliche Neuausrichtung der Wertschöpfung. Dabei setzt Industrie 4.0 auf die Integration von Elementen entlang der Wertschöpfungskette (horizontale Integration), auf die datengestützte Integration der Ingenieurleistungen (End-to-End-Engineering) sowie die Integration der Ebenen innerhalb eines Unternehmens (vertikale Integration). Durch die Umsetzung dieser drei Konzepte soll letztendlich der Zielzustand einer intelligenten Fabrik bzw. Smart Factory erreicht werden. Das Potenzial der Smart Factory geht jedoch weit über das Automatisieren und reine Managen von Produktionsprozessen hinaus. Die vollintegrierten und umfassend vernetzten Produkt-/Produktions-/Service-Systeme bieten das Potenzial für Technologiesprünge und neue Geschäftsmodelle. Der Automatisierungsgrad in der Produktion ist heute bereits weit fortgeschritten, die übergreifende Vernetzung von Produktionsanlagen dagegen ist häufig kaum bis gar nicht vorhanden.

Entwicklung einer skalierbaren Lösung

Unternehmen denken oft in Produkten und nicht in Geschäftsmodellen. Meist wird dann nach einem Produkt gesucht, das die gewünschten Features besitzt, anstatt über potenzielle Geschäftsmodelle nachzudenken. Die technische Evaluation ist auch mit zeitlichem Aufwand verbunden. Ist dann die Plattform gefunden und implementiert, gilt das Projekt als erfolgreich. Die entgangenen Opportunitätskosten werden gar nicht erst betrachtet. Kleine Erfolge werden immer erreicht, ob aber auch eine Lösung entsteht, die so einen hohen Nutzen für Kunden hat, dass diese auch bereit sind, dafür zu bezahlen, bleibt fraglich. Und entsteht tatsächlich ein profitabler Service, befinden sich Unternehmen in Abhängigkeit und die Weiterentwicklung ist ein kleiner Teil auf der Roadmap des Produktanbieters. Ein Wechsel wäre dann zwar sinnvoll, aber auf der einen Seite schrecken die hohen Wechselkosten ab und auf der anderen Seite wäre das ursprüngliche Implementierungsprojekt dann ein Fehlschlag statt ein Erfolg. Um das zu umgehen, ist es entscheidend, die technischen Aspekte genau so effektiv und zielgerichtet zu entwickeln, wie für die Beantwortung der in der jeweiligen Phase kritischsten Annahmen benötigt wird. Denn während es bei existierenden Plattformen vor allem darum geht, ein modulares, aber vor allem standardisiertes Produkt zu verkaufen, rückt die individuelle Entwicklung das Wie und Was in den Vordergrund: Was soll den Kunden angeboten werden? Warum ist das sinnvoll und profitabel? Was sind die wichtigsten Elemente? Das führt dazu, dass aus technischer Sicht bereits in ähnlichen Bahnen gedacht wird wie für das Geschäftsmodell an sich. Damit werden nur die Services und Funktionalitäten implementiert, die nachweislich vom Kunden gewünscht wurden. Gleichzeitig besteht, im Gegensatz zur Implementierung einer vollwertigen Plattform, die Möglichkeit, das Projekt bei entsprechender Rückmeldung der Kunden vorzeitig zu stoppen. Das ist mit geringeren Kosten verbunden, als eine vollwertige Lösung einzukaufen und lässt vor der Skalierung die Möglichkeit zu, auf eine dann nachweislich passende, existierende Lösung zu wechseln oder, falls diese nicht existiert, die eigene Lösung entsprechend skalierbar zu gestalten.

Wandlungsdruck durch Megatrends

In der Textilbranche war es früher üblich, vier Kollektionen pro Jahr zu führen. Zara hat dann den Begriff Fast Fashion eingeführt und perfektioniert: Das Unternehmen kann innerhalb von drei Wochen eine neue Kollektion auf den Markt bringen. Dass das im Sinne der Kunden ist, beweist der rasante Kursanstieg der Inditex-Aktie (Dachfirma von Zara). Dem Unternehmen gelang es, den Wunsch der Konsumenten nach den aktuellsten Outfits gezielt zu befriedigen. Das Vorpreschen von Zara hat die komplette Modeindustrie unter Druck gesetzt. Das wiederum zwingt auch etliche Zulieferer, ihre Aufträge innerhalb weniger Tage statt Monate zu bedienen. Einer dieser Zulieferer hat das wiederum zum Anlass genommen und seine neue Smart Factory transparent für Kunden gemacht. So können Kunden nun flexibel über ein Web Frontend bestellen. Grundlage ist ein Yield-Management-System, ähnlich wie es bei Airlines der Fall ist. Je nach Menge und Lieferzeit und in Abhängigkeit von freien Kapazitäten verändert sich in Echtzeit der Preis. Kunden können nun selbst entscheiden, ob sie auf einen Trend reagieren wollen und für die massiv verkürzte Lieferzeit einen entsprechenden Aufpreis zahlen oder nicht. Da das System mit der Fabrik verbunden ist, werden die Parameterkonfigurationen automatisch an die entsprechenden Maschinen versandt und im Produktionsprozess entsprechend nach vorne oder hinten verschoben, je nach Dringlichkeit, eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Der Kunde bekommt seine Ware in verkürzter Zeit und der Zulieferer wird dafür belohnt, indem er im Idealfall den doppelten Preis erhält. Die Zahlung ist direkt an den Kundennutzen gekoppelt.

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