Kommentar von Christian Reinwald, Reichelt Elektronik

Wohin geht die Quanten-Reise?

Quantencomputer sind in der Lage, enorme Datenmengen in sehr kurzer Zeit zu verarbeiten – ein wesentlicher Vorteil gegenüber herkömmlichen Computern. Wie der Stand der Technologie derzeit in Deutschland ist und wo die Herausforderungen liegen, beschreibt Christian Reinwald, Head of Product Management & Marketing bei Reichelt Elektronik.

Quantencomputer könnten mit ihrer enormen Rechenpower etwa die Materialforschung revolutionieren oder Bauteile in verschiedenen Branchen optimieren. In Deutschland steht seit 2021 der erste Quantencomputer, der von IBM in den USA produziert wurde. Das ist ein erster Schritt, um sich der Zukunftstechnologie zu nähern und das Knowhow auf diesem Gebiet auszubauen. Die deutsche Industrie könnte davon profitieren – doch wo stehen wir in Deutschland überhaupt? Christian Reinwald, Head of Product Management & Marketing bei Reichelt Elektronik, schätzt die Lage ein.

Was ist ein Quantencomputer?

Während herkömmliche Computer klassische Bits verwendet, nutzt ein Quantencomputer die Gesetze der Quantenmechanik. Bits kennen nur den Zustand 1 oder 0. Ein Quantencomputer arbeitet stattdessen mit Quantenbits (Qubits). Ein Qubit ist die kleinste Rechen- und Informationseinheit, mit der ein Quantencomputer arbeitet. In dieser Form können im Gegensatz zu den Bits wesentlich mehr Informationen gleichzeitig repräsentiert und verarbeitet werden. Dadurch ist es möglich, enorm große Datenmengen schneller zu verarbeiten. Das birgt großes Potenzial für die Industrie.

Ein Beispiel aus der Automobilbranche zeigt, wie die Quantencomputer schon heute ausgetestet werden. Automobilhersteller nutzen viele Bauteile von Zulieferern und sind auf eine einwandfreie Lieferung angewiesen. BMW testet seit 2021 den Quantencomputer der US-Firma Honeywell. In der aktuellen Testphase verfolgt der Autobauer das Ziel, die Lieferkette in Echtzeit zu beobachten und die Fertigungsgeschwindigkeit zu optimieren. Dabei geht es speziell darum, herauszufinden, welche Komponenten von welchem Zulieferer zu welchem Zeitpunkt gekauft werden, um insgesamt niedrigere Kosten im laufenden Betrieb zu erzielen. Der Computer muss die beste Option abwägen.

Störungsanfällige Qubits

Eine der größten Herausforderungen ist aktuell noch, dass die Qubits sehr störungsanfällig sind: Auslöser wie Umgebungsgeräusche, Vibrationen und Temperaturschwankungen können innerhalb von 100 Mikrosekunden dazu führen, dass sie ihre Quanteneigenschaft verlieren. Bis ein Quantencomputer in ein herkömmliches Rechenzentrum einziehen kann, muss er dafür gerüstet und die Umgebung entsprechend präpariert sein – Ansätze zur Fehlerkorrektur zu identifizieren ist deshalb ein wichtiger Teil Forschung. Nichtsdestotrotz ist sich die Bundesrepublik der Wichtigkeit dieser Technologie bewusst und förderte noch unter Kanzlerin Angela Merkel 2021 den Erwerb des ersten Quantencomputers für Deutschland.

Mit der Forscherplattform ‘IBM Quantum System One’ wurde im baden-württembergischen Ehningen ein Gemeinschaftsprojekt der Fraunhofer Gesellschaft für anwendungsorientierte Forschung und IBM mit dem ersten von dem IT-Unternehmen entwickelten universellen Quantencomputer eingeführt. Forscher aus Wirtschaft und Wissenschaft können dadurch die Technologie testen. Für 11.621? Monatsmiete kann der Quantencomputer mit seinen 27 Qubits auch von Unternehmen getestet werden. Bis 2025 möchte der Bund zusätzlich zwei Milliarden Euro für Quantencomputer einsetzen. Außerdem gibt es ein Netzwerk aus Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen – dem sogenannten ‘Munich Quantum Valley’. Ziel des europaweiten Verbunds ist es, in den kommenden fünf Jahren ein Zentrum für Quantencomputing und Quantentechnologie (ZQQ) aufzubauen.

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