Lernen in der virtuellen Welt

Virtual Reality war lange Zeit nur wenigen Menschen in erster Linie aus Wissenschaft und Forschung zugänglich. Sündhaft teure ‘Caves’ an wenigen Hochschulen eröffneten der Wissenschaft einen völlig neuen Blick auf die Welt. Mittlerweile ist die virtuelle Welt in der Realität angekommen. Doch die Technik wird zunehmend erschwinglicher und moderne Computer sind dank schneller Prozessoren und leistungsfähiger Grafikkarten in der Lage, virtuelle Welten realistisch darzustellen. Und auch die Wirtschaft hat erkannt, welche Möglichkeiten VR-Anwendungen bieten.

(Bild: Dürr Ecoclean GmbH)

Dürr Ecoclean entwickelt und fertigt Reinigungsanlagen und Maschinen für die Teilereinigung, hauptsächlich in der Automobilindustrie. Motoren- und Getriebegehäuse etwa werden vor der Montage sorgfältig von Spänen und Verschmutzungen aller Art befreit. In der flexiblen Reinigungszelle EcoCFlex 3 bewegt ein Scara-Roboter die entsprechenden Gehäuse innerhalb der Reinigungskammer. Dieser Manipulator muss unter sehr rauen Bedingungen arbeiten, so werden z.B. bei Temperaturen bis zu 65°C Reinigungschemikalien mit einem PH-Wert zwischen sechs und zehn verwendet. Um die Funktionsfähigkeit dieser Roboter zu erhalten, müssen sie regelmäßig gewartet werden. Der Aachener Technologiedienstleister Tema Technologie Marketing hat für Dürr Ecoclean eine VR-Anwendung entwickelt, mit der Mitarbeiter und Kunden in einer fast realen Welt diese Tätigkeiten trainieren können. “Wir wollen, dass unsere Servicemitarbeiter auf der ganzen Welt mit ihren Aufgaben bestens vertraut sind”, fordert Michael Förster, Geschäftsführer von Dürr Ecoclean. “Andererseits ist es zeitlich und finanziell sehr aufwendig, diese Mitarbeiter hier vor Ort an einer realen Maschine üben zu lassen. Virtual Reality beim Scara Manipulator ist für uns die ideale Lösung, unseren Service-Mitarbeitern die Wartungsabläufe möglichst realitätsnah zu vermitteln, und das über tausende Kilometer hinweg”.

Realistisches Modell

Aus den CAD-Daten des Scara-Roboters konstruierten die VR-Entwickler bei Tema ein realistisches VR-Modell des Roboterarms, der sich in der VR über Schieberegler auch in allen Freiheiten bewegen lässt. “Eine der zeitaufwendigsten Arbeiten war die Gruppierung der einzelnen Elemente. Wenn sich ein Teil des Roboterarms bewegt, müssen sich die dazugehörigen Schrauben mitbewegen, wenn sich der ganze Arm bewegt, müssen sich alle Gruppen des Arms mitbewegen”, schildert Dirk Heidermann, verantwortlicher VR-Entwickler bei Tema, die Arbeit an der Anwendung. Vom Auftrag bis zur ersten Anwendung hat es gerade zehn Wochen gedauert – alle Handgriffe der komplexen ersten Wartung können nun virtuell durchgeführt werden. Der Instruktor in Monschau führt dem Service-Mitarbeiter in Shanghai die Hand, Missverständnisse sind kaum möglich, aufwendige technische Sprachübersetzungen fallen fort. Eine weitere Herausforderung war die Synchronisation mehrerer Mitarbeiter in ein- und demselben virtuellen Raum. Realisiert wurde der Import der 3D-Modelle in den virtuellen Raum, die Beweglichkeit der einzelnen Teile und die Synchronisation aller Teilnehmer über die Unity Engine, eine Software, die eigentlich für die Spieleentwicklung in der VR entwickelt wurde. “Für alle Anwendungen in der Virtual Reality sind bislang Spiele-Engines am besten geeignet”, so Dirk Heidermann.

Gleichzeitiges Arbeiten möglich

Alles, was der Servicemitarbeiter auch am realen Roboter später betätigen soll, kann er im virtuellen Raum trainieren und natürlich können mehrere Teilnehmer gleichzeitig am Roboter ‘arbeiten’. Konflikte sind dabei ausgeschlossen. Das Programm verhindert, dass z.B. zwei Teilnehmer gleichzeitig an der gleichen Schraube drehen. Außerdem sind die einzelnen Handlungen aufeinander aufgebaut: im virtuellen Raum kann man z.B. bei einem Ölwechsel den Getriebedeckel erst dann schließen, wenn auch Öl nachgefüllt wurde. So soll gewährleistet werden, dass die einzelnen Arbeitsschritte in der richtigen Reihenfolge und vollständig trainiert werden.

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