Wenn Algorithmen unsere Arbeit übernehmen

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Gerichtsurteil per KI

Tatsächlich können KI-Systeme schon heute weit mehr als simple Routinetätigkeiten. Bei Gerichtsverhandlungen in den USA kann es durchaus sein, dass ein Roboter über Ihr Urteil mitentscheidet. Denn in den den Vereinigten Staaten werden seit einiger Zeit Algorithmen eingesetzt, um den Richtern bei ihren Entscheidungen zu helfen. Im Fall von Triebtätern stellt sich z.B. die Frage: Wird der Täter womöglich rückfällig? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit? Rechtfertigt die Angst vor seiner möglichen Rückfälligkeit eine weitere Inhaftierung, obwohl der Täter seine Strafe längst abgesessen hat? Menschliche Gutachter haben sich in der Vergangenheit besonders bei solchen Fragen schon sehr häufig geirrt. Was natürlich dann immer zu erheblichen Protesten in der betroffenen Gesellschaft geführt hat. Nun experimentieren die Amerikaner damit, menschliche Gutachten durch Gutachten von KI-Systemen zu ersetzen. Die Debatte darüber, inwieweit die Algorithmen hier zuverlässigere Vorhersagen treffen als wir Menschen, wird auch zu uns nach Europa kommen. Und nach meinem Wissensstand im Bereich künstlicher Intelligenz kann ich sagen: Es ist höchst wahrscheinlich, dass Algorithmen hier schon in wenigen Jahren einen deutlich besseren Job machen als die meisten Menschen. Warum also nicht auch in der Industrie?

Künstliche Erfahrung

Besser heißt in einem solchen Fall, dass der Algorithmus weniger Fehler macht als ein Mensch. Das bedeutet jedoch nicht, dass er gar keine Fehler macht. Es geht im Grunde immer nur um Wahrscheinlichkeiten. Am Ende des Tages haben die Algorithmen den Menschen gegenüber vor allem in der Industrie zwei wesentliche Vorteile: Sie können in Sekundenschnelle auf so viele Daten – und Daten bedeuten an dieser Stelle ‘Erfahrung’ – zugreifen, wie ein Mensch in seinem ganzen Leben nicht verarbeiten kann. Sie können nicht nur wie ein menschlicher Gutachter, Maschinenbauer oder Industrieingenieur die eigenen Erfahrungen in die Bewertung einfließen lassen oder die in den letzten Jahren angelesenen, sondern sie können auf alle vergleichbaren Fälle weltweit blicken. Die Daten – oder besser der Erfahrungsschatz – ist einfach unendlich viel größer. Und: Algorithmen sind immun gegen Emotionen, Sympathien und sonstige menschliche Regungen, die auf unbewusster Ebene Entscheidungen mit beeinflussen. Die hundertprozentige Sachlichkeit und Objektivität eines Algorithmus ist auch dem klügsten, erfahrensten und bestausgebildeten Gutachter, Richter, Arzt oder Ingenieur nicht möglich. Als Menschen sind und bleiben wir bei allem Bemühen immer subjektiv und vielfältig manipulierbar.

Keine kreative Leistung

Was heißt das also konkret für Ingenieurberufe in der Industrie? Nun, so viel vorneweg: Dass die Aufgaben der heutigen Ingenieure in besonders großem Umfang ‘wegdigitalisiert’ werden, kann ich mir nicht vorstellen. Denn viele Ingenieure machen in der Regel keine zwei Tage das Gleiche. Außerdem erfordern ihre Tätigkeiten oft Kreativät. Diese kreative und innovative Leistung kann uns heute noch kein System der künstlichen Intelligenz anbieten. Und nun kommt das große Aber: Aber auch der Job des Ingenieurs wird sich massiv verändern – und tut es bereits: neue Software-Applikationen und neue Technologien schwappen heute in bisher ungekannter Menge auf die Schreibtische der Industrial Engineers. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Freuen Sie sich, liebe Industrieingenieure! Sie werden sich wie nie zuvor auf die kreative Seite Ihres Jobs fokussieren können. Sie werden laufend spannende Weiterentwicklungen erleben, was neue KI- und Robotiklösungen am Markt angeht. Und Sie werden sich in den kommenden Jahren mit Sicherheit immer wieder neu erfinden dürfen. Dazu wird eine Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung benötigt und Ihre Leidenschaft, immer wieder neu zu Denken und zu Handeln. n @Kontakt Fachartikel: @Kontakt Fachartikel: @Kontakt Fachartikel:

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