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Strategie und Struktur, Kultur und Mindset

Die Hoffnungen, durch ein paar Arbeitsgruppen und organisationale Anpassungen bei den Arbeitsrichtlinien eine robuste, agile Organisation einzurichten, ist naiv. Agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban lassen sich zwar verordnen, funktionieren aber nicht per Arbeitsanweisung. Vielmehr funktionieren sie erst als das Ergebnis eines ganzheitlichen Prozesses, an dessen Ende ein anderes Organisationsdesign auch zu individuellen Verhaltensänderungen führt. Dieser Prozess muss auf den Ebenen Strategie und Struktur, Kultur und Mindset von Management und Mitarbeitern ansetzen. Ausgangspunkt sollten folgende Fragen sein:

  • • Welche Organisationsform(en) helfen uns dabei, unserer strategischen Ziele zu erreichen?
  • • Wie richten wir unsere Organisation so aus, dass wir schnell mit neuen Kundenerwartungen umgehen und diese schnellst- und bestmöglich erfüllen?
  • • Wie gestalten wir unsere Prozesse, damit wir möglichst effizient produzieren können?
  • • Wie wünschen wir uns dabei Zusammenarbeit?
  • • Auf welchen Ebenen und wer soll Entscheidungen in Zukunft treffen, damit die vorhandenen Kompetenzen bestmöglich zur Entfaltung kommen?
  • • Welche Rollen übernehmen Führung für unser System und wer übernimmt dafür auch Verantwortung?

Die Beantwortung dieser Fragen führt zu einem Organisationsdesign, das alle operativen Systeme radikal am Kunden ausrichtet. Damit diese effizient arbeiten können, bestehen klare Regeln für die Zusammenarbeit mit koordinierenden und unterstützenden Systemen.

Viable System Model

Dem Management obliegt nicht mehr, Aufgaben zu verteilen, sondern Ressourcen bereitzustellen und Kompetenzen zu bündeln sowie Verantwortung dahin zu verlagern, wo die größte Expertise liegt. Ein Modell, mit dem diese Strukturen geschaffen werden können, ist allerdings viel älter als die heutigen agilen Methoden. Bereits 1959 erschien das Buch ‘Cybernetics and Management’ des britischen Betriebswirt Stafford Beer, in dem er die Grundzüge seines Viable System Model (VSM) entwickelte. Inspiriert von der Biokybernetik, die die Steuerungs- und Regelungsvorgänge in Organismen und Ökosystemen beschreibt, leitete er Kernelemente für seine Managementlehre ab. Mit VSM betrachtete er Organisationen aus rein funktionaler Perspektive. Geleitet war er von der Frage, welche Funktionen in einem System vorhanden sein müssen und wie diese miteinander zusammenspielen, damit ein System gesund und effektiv seinen Zweck erfüllen kann.

Mindsets weiterentwickeln

Eine lebensfähige und funktionierende Organisation setzt allerdings voraus, dass auch die Unternehmenskultur darauf ausgerichtet ist und sich die Mindsets aller weiterentwickeln. Das Management muss zudem an die Strukturen und Prozesse angepasst und eine Feedbackkultur etabliert werden, in der sowohl horizontal als auch vertikale Feedbackprozesse in beide Richtungen gelebt werden. Denn Mitarbeiter und Führungskräfte, die Aufgaben aus den unterschiedlichen VSM-Systemen (S1 bis S4) wahrnehmen, arbeiten in Organisationen, die ständig auf neue Kunden- und Marktanforderungen reagieren und diese idealerweise antizipieren, in wechselnden Arbeitszusammenhängen. Sie entwickeln neue Produkte und Dienstleistungen in agilen Projektgruppen und übernehmen je nach Anforderungen auch jeweils unterschiedliche Rollen, und tragen damit also zu unterschiedlichen Systemfunktionen bei. Verantwortlichkeiten werden in solchen Gruppen ausgehandelt und vergeben. Da sich in solch agilen Strukturen die Rolle von Führungskräften stark wandeln und Mitarbeitenden meist weit mehr als nur einen ‘Chef’ haben, ist es notwendig, dass Menschen Feedback aus allen Richtungen bekommen und geben. Eine Feedbackkultur, in der Rückmeldung zeitnah, ehrlich und konkret erfolgt, fördert Leistung und Motivation. Auch das Leistungsmanagement muss dafür agiler werden. An die Stelle von rückwärtsgewandten Mitarbeitergesprächen treten Performance Previews, bei denen Fach- und Führungskräfte auf Grundlage gemachter Erfahrungen beschreiben, wie sie sich künftig einbringen können und was sie für ihre persönliche Entwicklung brauchen. Dafür wiederum sind Führungskräfte notwendig, die ihren Kollegen viel Eigenverantwortung, Autonomie und Selbstverantwortung zumuten, um die zukünftig benötigten individuellen und kollektiven Fähigkeiten zu entwickeln.

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