Damit die Digitalisierung nicht in einer Sackgasse endet

In Industrieunternehmen laufen die Mühlen auf Hochtouren: Überall versuchen Fachleute, die Vorteile der digitalen Transformation für sich zu nutzen und die dafür notwendigen Maßnahmen möglichst nahtlos in das Tagesgeschäft einzubetten. Welche dies sind, regeln einige Organisationen recht sportlich und erklären die Digitalisierung zur Sache der einzelnen Fachabteilungen.

Die Konsequenz lässt in der Regel nicht lange auf sich warten und zeigt sich mit zahlreichen Insellösungen, welche die Unternehmensleitung dann mühevoll zu einen versucht. Andere wiederum gehen den Weg Top-down und beginnen mit der Festschreibung einer Strategie, die sich als Kompass in innovativen Zeiten als hilfreiches Werkzeug beweist. Doch Leitlinien auf höchster Ebene dürfen nicht zu einem Korsett mutieren. Die schnelllebige Welt der Technik erlaubt nämlich keinen Stillstand, sondern ruft konsequent nach einem Mindestmaß an Flexibilität und Elastizität, strategische Festlegungen zu überprüfen und bei Bedarf neu zu denken.

Keine Schockstarre im Digitalisierungszeitalter

  • Für den Fall, dass die digitale Transformation zur Chefsache erklärt wird, lässt sich in großen Industrieunternehmen oftmals folgendes Szenario beobachten:
  • Der Vorstand legt die Strategie für die Digitalisierung des Unternehmens fest.
  • Der Vorstand benennt einen Digital Officer als Projektleiter für die Digitalisierung der eigenen Organisation.
  • Die Leitungsebene der Fachabteilungen wird über die Beschlüsse auf Vorstandsebene informiert.
  • In den Fachabteilungen formen sich Arbeitskreise, die zielorientiert ihre Aufgabenpakete abarbeiten.
  • Die Ergebnisse werden vom Projektleiter (in vielen Unternehmen gibt es hier inzwischen einen Digital Officer) zusammengetragen.
  • Jeder arbeitet die Teilaufgaben gemäß seiner Verantwortlichkeiten ab.
  • Der Digital Officer sorgt durch steuernde Eingriffe für maximale Effizienz der einzelnen Handlungsstränge und berät den Vorstand zu wichtigen Meilensteinen.
  • Der Vorstand bewertet die Zwischenergebnisse und gibt grünes Licht für die weitere Projektumsetzung oder verschiebt Anpassungen auf die Zeit nach dem Projektende.

(Bild: Expertplace Network Group AG)

Naturgemäß dauern diese Prozesse in großen Organisationen seine Zeit – in der insbesondere in innovationsreichen Epochen jede Menge neue technische Möglichkeiten wachsen. Damit die Industrie von diesen Neuerungen nachhaltig profitieren kann, ist ein Mindestmaß an Elastizität und Anpassungsbereitschaft hinsichtlich der eigenen Urbeschlüsse erforderlich. Schwierig kann es also dann werden, wenn Unternehmen ihre eigene Strategie über die Entwicklung neuer Methoden und Technologien stellen. Eine starre Haltung getreu dem Motto ‘Das haben wir Ende letzten Jahres so beschlossen und so muss es auch umgesetzt werden – egal, was am Markt geschieht’ führt nämlich auch im Kontext der Digitalisierung zwingend in die Sackgasse und bedeutet über kurz oder lang einen Wettbewerbsnachteil, der schwer auszubügeln sein dürfte. Insbesondere große Industrieunternehmen sind oft deshalb so erfolgreich, weil sie nicht jedem Trend nachjagen und ihre mitunter durchaus beobachtbare Langsamkeit sie auch davor schützt, sich zu verzetteln. Diesen Vorteil können sie im Digitalisierungszeitalter nutzen. Denn trotz aller Beweglichkeit braucht jede Organisation auch einen Kompass, der selbst bei stürmischer See den Weg weist. Folglich sind häufig jene Strategien langlebig, die messbare Zieldefinitionen in den Vordergrund stellen. Dieses dann entstandene Koordinatensystem dient den Mitarbeitern als stabiler Wegweiser im täglichen Changemanagement und hilft, die einzelnen Maßnahmen für die Digitalisierung im eigenen Unternehmen in ihrem Gesamtkontext zu verstehen und als mehrwertig zu begreifen. Damit dies gelingt, müssen sie auch von Anfang an informiert und – wann immer möglich und sinnvoll – in den Veränderungsprozess Digitalisierung einbezogen werden.

Beweglichkeit ist Trumpf

Die Königsdisziplin wird es bleiben, trotz verlässlichem Kompass strategische Entscheidungen regelmäßig zu reflektieren und an die aktuelle Sachlage anzupassen. Dass diese Rechnung aufgeht, ist eine Frage der Disziplin und Organisation. So leisten beispielsweise regelmäßige Wettbewerbsanalysen, Marktbeobachtungen und die Bewertung neuer Technologien und Innovationen auf ihren Nutzwert für die eigene Organisation hin einen wesentlichen Beitrag. Das Unternehmen Expertplace empfiehlt für solche Digitalisierungsaudits einen Turnus von vier bis sechs Monaten. Die Kunden werden auch darin beraten, wie eine Überprüfung, Nachjustierung und stellenweise Neuausrichtung der eigenen Strategie aus der Perspektive der Mitarbeiter möglichst motivationserhaltend kommuniziert und umgesetzt werden kann. Es stellt sich nämlich bei entsprechenden Projekten immer wieder heraus, dass auch hier die Integration der Belegschaft ein wertvolles Fundament schafft, aus dem wertschaffende Hinweise und Impulse kommen können.

Fazit

Strategische Richtungsentscheidungen dürfen Industrieunternehmen nicht verleiten, vor technisch notwendigen Anpassungen die Augen zu verschließen. Organisationen sind immer dann gut beraten, wenn sie mit klarem Ziel vor Augen flexibel in der Ausführung der notwendigen Maßnahmen bleiben. Dieser Grundsatz muss auch für die digitale Transformation gelten.

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