Disruption oder
Warteschleife?

Künstliche Intelligenz ist der Branchenhype schlechthin. Nach dem Besuch der Hannover Messe scheint mir jedoch, dass es mit der vorausgesagten Disruption noch etwas dauert. Gerade die Branchenriesen sprachen eher verhalten über das Potenzial der lernenden Algorithmen für die Fabrik. Im Vordergrund standen oft Lösungen rund um digitale Zwillinge und Edge Computing. Oha, fragte ich mich, wo ist die Vision der Produktions-Alexa oder -Cortana hin? Doch der neue Fokus ist zu begrüßen, denn er bereitet KI-Technologie den Weg. Und er ist wohl auch Erfahrungen geschuldet, die IBM und Co. in den KI-Projekten der letzten Jahre sammelten. Der Vorteil: Anwendungen auf Basis digitaler Zwillinge und Maschinenintegration versprechen sofort greifbaren Nutzen und setzen jene Datenpunkte im Werk, die später ausgefeilte Machine Learning-Applikationen ermöglichen. Es ist schlicht die richtige Reihenfolge auf dem Weg zur digitalen Fabrik.

Gleichwohl sind KI-Lösungen in der Produktion bereits Realität. Es gibt Predictive Maintenance-Anwendungen (S. 70), also die zustandsbasierte Instandhaltung von Maschinen, und es gibt immer leistungsfähigere KI-basierte Bilderkennung in der Qualitätskontrolle. Wie so oft heißt es, die Automobilhersteller seien dem Rest der Branche technologisch einen Schritt voraus. Wie diese Projekte im Detail aussehen, wird nicht an die große Glocke gehängt. Aber erfahrungsgemäß wird einiges davon bald in das Standardportfolio der IT-Integratoren gelangen und somit in Werke anderer Produzenten.

Die Stimmung auf der Hannover Messe war ähnlich wie letztes Jahr von Pragmatismus geprägt und weniger von Heilsversprechen durch neue Technologie. Das heute Grundlagen gelegt werden sollen, um in ein paar Jahren umfassend von Machine Learning und Co. profitieren zu können, spricht für diesen Pragmatismus. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von kostenpflichtigen und kostenlosen Werkzeugen, um die digitale Reife im Unternehmen zu bestimmen und die nächsten Meilensteine abzustecken. Wird dieser Weg – zur Industrie 4.0, oder wohin auch immer – eingeschlagen, könnte im Idealfall die IT-Infrastruktur zum gleichen Zeitpunkt bereit für leistungsfähige KI-Anwendungen sein, zu dem es die Software-Anbieter geschafft haben, die Komplexität deren Implementierung entscheident zu reduzieren. Vielleicht wird es dann ja etwas mit der Disruption.

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Ihnen wie immer

Patrick C. Prather, Redaktionsleiter