Bitkom-Studie

Wo stehen deutsche Unternehmen bei der Digitalisierung?

Deutsche Unternehmen stellen sich in einer aktuellen Bitkom-Studie in Sachen Digitalisierung nur ein ‘befriedigend‘ aus. Die Coronakrise sei dabei ein Weckruf, die Digitalisierung massiv voranzutreiben, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Bild: Bitkom e.V.

Die Unternehmen in Deutschland sind in den vergangenen zwölf Monaten bei der Digitalisierung zwar vorangekommen, bewerten den eigenen Fortschritt aber eher zurückhaltend. In einer aktuellen Bitkom-Studie vergeben Geschäftsführer und Vorstände, gefragt nach dem Stand der Digitalisierung im eigenen Unternehmen, im Durchschnitt nur die Schulnote ‘befriedigend‘. Mittelständler mit 100 bis 499 Mitarbeitern geben sich sogar nur die Note‘ausreichend‘. Die Befragung wurde noch vor Beginn der Corona-Krise durchgeführt. Insgesamt wurden 603 Unternehmen aller Branchen befragt.

Nicht weltweit führend

Wie aus der Studie hervorgeht, sehen nur noch 22 Prozent die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung in der Spitzengruppe, vor einem Jahr waren es noch 26 Prozent. Für weltweit führend im Bereich Digitalisierung hält Deutschland weiterhin niemand. Zugleich wächst der Anteil derjenigen, die Deutschland im Mittelfeld (von 47 auf 51 Prozent) oder unter den Nachzüglern (von 18 auf 21 Prozent) verorten. Vier Prozent verorten Deutschland als abgeschlagen. „Die Coronakrise hat uns die Bedeutung digitaler Technologien für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sehr klar vor Augen geführt“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Die Krise sei ein Weckruf, die Digitalisierung massiv voranzutreiben.

Im Rahmen der Studie wird die Digitalisierung von 90 Prozent der Befragten eher als Chance gesehen, nur fünf Prozent sehen sie als Risiko. 34 Prozent geben jedoch an, Probleme zu haben, die Digitalisierung zu bewältigen. Zehn Prozent sehen ihre Existenz durch die Digitalisierung gefährdet. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei zwölf Prozent, vor zwei Jahren bei 24 Prozent. Die Unternehmen versuchen als Folge der Digitalisierung ihr Angebot anzupassen. So bringen 6 von 10 der Unternehmen (60 Prozent) als Folge der Digitalisierung neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt. Vor einem Jahr lag der Anteil erst bei 53 Prozent, vor zwei Jahren sogar nur bei 48 Prozent. Drei Viertel (75 Prozent) passen inzwischen bereits bestehende Produkte oder Dienstleistungen an, jedes Zweite (49 Prozent) nimmt Produkte oder Dienstleistungen vom Markt.

Starker Wettbewerbsdruck

Sechs von zehn Unternehmen geben an, dass Wettbewerber aus der Internet- und IT-Branche (64 Prozent) bzw. aus anderen fremden Branchen (61 Prozent) auf ihren Markt drängen. Zugleich geben 48 Prozent an, dass Wettbewerber aus der eigenen Branche, die frühzeitig auf Digitalisierung gesetzt haben, ihnen nun voraus seien. Dieser Wert lag vor einem Jahr noch bei 42 Prozent so, vor zwei Jahren bei 37 Prozent.

Kleine Unternehmen oft ohne Strategie

Der Anteil der Unternehmen, die die Digitalisierung strategisch angehen, steigt dabei weiter. So haben inzwischen mehr als drei Viertel (77 Prozent) eine Digitalstrategie entwickelt: 39 Prozent verfügen über Strategien in einzelnen Unternehmensbereichen, 38 Prozent sogar über eine zentrale Digitalstrategie. Allerdings verzichtet immer noch rund jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) auf eine Digitalstrategie. Je nach Unternehmensgröße unterscheidet sich dieser Wert: Alle Unternehmen mit 2.000 oder mehr Beschäftigten verfügen über eine Strategie und nur sieben Prozent der Unternehmen mit 500 bis 1.999 Mitarbeitern haben keine Strategie aufgestellt — der Anteil bei kleinen und mittelständischen Unternehmen liegt deutlich darüber. Bei jenen mit 100 bis 499 Mitarbeiter sind es 18 Prozent, bei denen mit 20 bis 99 Mitarbeitern sogar 23 Prozent. Beunruhigend sei, so Berg, dass zu viele kleine und mittlere Unternehmen, bei der Digitalisierung auf Sicht fahren würden. „Jedes Unternehmen muss jetzt eine Digitalstrategie entwickeln – und diese dann auch konsequent umsetzen“, sagt der Bitkom-Präsident.

Größere Bedeutung digitaler Technologien

Nur jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) hatten zu Jahresanfang geplant, gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ähnlich viele (23 Prozent) haben dies zumindest im vergangenen Jahr getan, wollen aber 2020 nicht nachlegen. Jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) hat zuletzt 2018 oder früher solche Investitionen getätigt – und 14 Prozent haben dafür noch nie Geld in die Hand genommen. Dabei schreiben Unternehmen digitalen Technologien eine immer größere Bedeutung zu. So geben 90 Prozent an, dass Big Data und Datenanalyse von sehr großer oder eher großer Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen seien, vor einem Jahr waren es erst 83 Prozent. Dahinter rangieren das Internet of Things mit 81 Prozent (2019: 79 Prozent) und 3D-Druck mit 72 Prozent (2019: 68 Prozent). Deutliche Anstiege gibt es auch bei autonomen Fahrzeugen von 57 auf 68 Prozent und bei künstlicher Intelligenz von 60 auf 67 Prozent.

Der Einsatz dieser Technologien hinkt den Einschätzungen allerdings hinterher, obwohl die Verbreitung weiter zunimmt. So geben 62 Prozent an, Big Data oder Datenanalyse einzusetzen oder den Einsatz zu planen oder zu diskutieren (2019: 59 Prozent). Auf 3D-Druck setzen 51 Prozent (2019: 43 Prozent), auf das Internet of Things 49 Prozent (2019: 44 Prozent) und Virtual und Augmented Reality 35 Prozent (2019: 32 Prozent). Den größten Sprung macht Künstliche Intelligenz von 12 auf nun 28 Prozent. Unverändert stagniert die Blockchain-Technologie bei sechs Prozent.

Datenschutz als größtes Hindernis

Die drei größten Hürden beim Einsatz neuer Technologien sind laut der Studie die Anforderungen an den Datenschutz (79 Prozent, 2019: 74 Prozent), die Anforderungen an die technische Sicherheit (63 Prozent, 2019: 57 Prozent) sowie fehlende Fachkräfte (55 Prozent, 2019: 48 Prozent). „Wir müssen jetzt schon an die Zeit nach der Coronakrise denken und überall die Weichen in Richtung Digitalisierung stellen“, mahnte Berg an. „Wir können aktuell sehr schön sehen, dass stärker digitalisierte Unternehmen und die Digitalwirtschaft sehr viel mehr sind als ein Wachstumsmotor. In Krisenzeiten sind sie weniger anfällig, sie stabilisieren die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.“ Die Unternehmen seien gefordert, trotz aller Herausforderungen durch die konkreten Auswirkungen des Lockdowns die eigene Digitalisierung voranzutreiben. „Aber auch die Politik braucht für die Zeit nach Corona eine Strategie, um die Wirtschaft wieder hochzufahren. Ihre Basis ist das Digitale“, sagte Berg.

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