Smart Engineering and Production 4.0


Das Potenzial der Standards?

Man darf bei SEAP nicht vergessen, dass es nicht vor allem darum ging, einen lauffähigen Demonstrator zu fertigen, sondern dieses mit den Methoden, Standards und Technologien zu tun, die mit den Empfehlungen der Plattform 4.0 konform sind. Bent beschreibt diesen Teil der Aufgabe so: “Für diese spezifische Applikation, die wir auf dem SEAP-Stand gezeigt haben, gibt es sicherlich viele andere Umsetzungsmöglichkeiten. Uns ging es aber von vornherein darum, auf Methoden zurückgreifen, die konform sind zu den Aktivitäten der Plattform 4.0. Unsere Erfahrungen im SEAP-Projekt zeigen inzwischen, dass der vorgesehene Weg wirklich ein riesengroßes Potenzial hat, sich als Standard auch für andere Anwendungsfelder durchzusetzen.” Ein einfaches Beispiel von Maximilian Brandl zeigt, dass die Standardisierung, die durch den Weg hin zur Industrie-4.0-Durchgängigkeit erreicht wird, allen Beteiligten viele Vorteile bringt: “Wir arbeiten seit vielen Jahren mit zahlreichen SPS-Anbietern zusammen und haben mit den verschiedenen Firmen individuelle Schnittstellen programmiert, also mit ABB, B&R, GE, Omron, Rockwell Automation, Mitsubishi Electric, Schneider Electric, Siemens und wie sie alle heißen. Mittlerweile verwenden wir Automation ML als einheitlichen Standard. Das macht für uns die Arbeit viel einfacher, weil wir in einem Standardformat die Information wie Input/Output-Listen, Rekonfiguration usw. zur Verfügung stellen können. Aber das macht es eben auch für die vielen Anwender einfacher, weil sie genau wissen, wie die Implementierung einer SPS funktioniert. Und es funktioniert bei jedem Hersteller gleich! Das ist ein Riesenvorteil für die Projektierer – und für uns.”

 (Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

(Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

Neue Möglichkeiten mit dem digitalen Zwilling

Die Durchgängigkeit des digitalen Engineerings endet jedoch nicht mit der Auslieferung des Schaltschranks beim Kunden. Das macht Roland Bent deutlich: “Irgendwann steht die fertige Anlage oder Maschine mit dem dazugehörigen Schaltschrank und dem ja bereits vorhandenen digitalen Zwilling beim Endbetreiber der Maschine. Auf Basis des digitalen Zwillings stehen in Zukunft deutlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung als bisher. So könnte man beispielsweise den gesamten Service digitalisieren, denn die Dokumentation des Schaltschranks liegt digital vor. Das heißt, ich kann auch mit Augmented Reality im Störfall auf aktuelle Informationen genau dieses speziellen Schaltschranks zurückgreifen. Man kann dafür sorgen, dass zur Lebenszeit Veränderungen im Schaltschrank nachgepflegt werden über eine Neukonfiguration von Geräten zum Beispiel. Das ist ein ganz neues Potenzial, das bisher gar nicht so machbar war.”

Man rückt zusammen auf der Hannover Messe – zum Interview wie auch technologisch beim Thema 4.0. (v.l. Roland Bent, Phoenix Contact, Dr. Thomas Steffen, Rittal, Maximilian Brandl, Eplan). (Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

Man rückt zusammen auf der Hannover Messe – zum Interview wie auch technologisch beim Thema 4.0. (v.l. Roland Bent, Phoenix Contact, Dr. Thomas Steffen, Rittal, Maximilian Brandl, Eplan). (Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

Es funktioniert in der Praxis

Für ein durchgängiges Engineering bis zum digitalen Zwilling werden zahlreiche Komponentendaten benötigt. Bei SEAP kommen diese über eCl@ss Advanced bzw. dem Data Portal von Eplan in das System. Fehlen an dieser Stelle notwendige Informationen, so ist zusätzliche manuelle Arbeit notwendig. Allerdings – darin sind sich alle Gesprächspartner einig – sei es nur eine Frage der Zeit. Brandl erläutert: “Unser Ziel ist es darauf hinzuwirken, dass alle Hersteller auf die Vollständigkeit der Daten ihrer Komponenten achten, beispielsweise 3D-Modelle usw., denn ohne 3D kann ich keinen virtuellen Schaltschrank abbilden, keine Kabeldrahtlänge berechnen etc. Es besteht große Übereinstimmung in der Industrie, dass es wichtig ist, diese Daten bereitzustellen. Und es gibt immer professionellere Prozesse, diese Daten auch automatisiert zu erstellen. Wir sind mit Eplan, Phoenix Contact und Rittal an dieser Stelle bereits sehr weit fortgeschritten.”

 (Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

(Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG)

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Es gibt zahlreiche Anbieter von digitalen Plattformen und Ökosystemen. Gerade die Industrie setzt vielfältige Projekte um. Die verfügbare Technologie ist ausgereift und bewährt. Wollen Firmen einsteigen, müssen sie zunächst herausfinden, welchen Content sie vermarkten wollen – welche Dateninhalte also wirklich Geld wert sind. Wollen Unternehmen Daten und digitale Services vertreiben, benötigen sie eine Plattform, die als Drehkreuz zwischen Daten, Systemen und Kunden fungiert. Dabei spielen Methoden, Speichermedien, Funktionen, Anwendungen, Benutzerschnittstellen und Systemanbindungen entscheidende Rollen. Für Unternehmen stellen sich dabei folgende Fragen.

  • • Wie werden die Systemdaten erzeugt und übertragen?
  • • Woher kommt der Content?
  • • Wie werden die Anwender eingebunden?
  • • Wie werden Technologien, wie Künstliche Intelligenz oder Deep Learning, integriert?
  • • Wie werden die Daten gespeichert?
  • • Wie wird die digitale Plattform verwaltet?

Diese Fragen konzentrieren sich vor allem auf die Technologie und die Umsetzung. Potenzielle Nutzer interessieren sich jedoch eher für die Eigenschaften, Funktionen und Merkmale der digitalen Produkte an sich. Die technische Umsetzung ist das Hilfsmittel für den Verkauf digitaler Produkte, so wie der Supermarkt das Hilfsmittel ist, um analoge Produkte zu erwerben. Daher sind entscheidende Fragen für den Content digitaler Ökosysteme:

  • • Wie verbindet man System und Content?
  • • Wie wird der Content erstellt?
  • • Welchen Content brauchen die Anwender?
  • • Welcher Content ist notwendig?
  • • Wie wird aus dem Content ein Business Case?

Jeder Content, der Umsatz bringt, ist am Ende der ‘richtige’ Content. Doch was genau versteht man darunter? Laut Duden geht es um ‘qualifizierten Inhalt oder Informationsgehalt’. Der Begriff selbst wurde vor allem in der Webseitenentwicklung verwendet und steht in der Industrie 4.0 für ‘relevante Dateninhalte’. Ein Beispiel: Für die Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) werden Daten und Algorithmen für das Monitoring, für die Fehlersuche und für die Fehlerabstellung benötigt. Diese Algorithmen und Daten sind Content, mit dem sich Geld verdienen lässt. Gleiches gilt für Inbetriebnahme-Algorithmen für Anlagen und Produkte, Upgrades und Optimierungen für Funktionen und Algorithmen sowie für Daten für die Wartung oder Inspektion von Anlagen und Produkten. Content kann vom System, von Anwendern, aber auch von Funktionen erstellt und genutzt werden. Im Erfolgsfall ist Content von Experten strukturiert, wird von Fachleuten designt, verbindet die Systeme inhaltlich miteinander, wird von Funktionen verwendet, wird von Anwendern genutzt, und ist bezahlbar. Aus diesen Merkmalen leiten sich folgende Aufgaben ab:? Content definieren und strukturieren

  • • Content methodisch designen
  • • Systeme verbinden
  • • Content für Funktionen verwenden
  • • Content nutzbar machen
  • • Bezahlmodell entwickeln

Nicht die Plattform entscheidet, wie der Content aussehen muss, sondern umgekehrt. Es sollte anhand des Contents und der Funktionen entschieden werden, wie die Plattform umgesetzt werden muss. Ausgehend von den Anforderungen der Kunden an die Funktionen und Daten, muss der Content so entwickelt werden, dass er in den Funktionen der Plattform verwendet werden kann. Speziell ist darauf zu achten, dass sich die Funktionen mit dem Format der Daten geeignet umsetzen lassen. Anbieter sollten sich also mit den Daten beschäftigen, die verkauft werden sollen, deren digitale Strukturen zu definieren und über geeignetes Datenformat entscheiden.

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