Machine Learning und Big Data im Dienst der Qualitätssicherung


Prognose-Modelle mit Roboter und Kamera trainieren

Für ein wirksames Prognose-Modell ist das anfängliche und später das korrektive Lernen der Zusammenhänge zwischen Prozess- und Betriebsdaten und den gefertigten Gutteilen sowie dem Ausschuss mit Fehlerklassifikation erforderlich. Um die manuellen Aufwände dafür zu reduzieren, bedarf es einer automatisierten Lösung für die Überprüfung der Bauteile. Dabei kann eine gleichmäßig verteilte Stichprobe aus dem Produktionsprozess ausreichen, sodass nicht im Produktionstakt geprüft werden muss. Eine Roboterprüfzelle mit Bildverarbeitungs-Applikation soll eine einfache Integration des Aufbaus in den bereits bestehenden Materialfluss ermöglichen und so zeiteffiziente Abläufe erlauben. Der Roboter erfüllt dabei die Aufgabe des Materialhandlings und -transports sowie die Positionierung und Ausrichtung der Kamera gegenüber den zu prüfenden transparenten Bauteilen. Ein spezifisch für die Anwendung entwickelter Greifer erlaubt die Aufnahme der verschiedenen Bauteiltypen und der Bildverarbeitungskamera. Eine Herausforderung hierbei ist es, den Greifer so zu gestalten, dass ein möglichst breites Typenspektrum der transparenten Bauteile gegriffen werden kann, ohne die Oberfläche der Bauteile zu beschädigen. Dazu eignet sich am besten ein mit Druckluft betriebener flexibler Sauggreifer. Der Roboter positioniert jeweils das zu prüfende Bauteil in einer dafür vorgesehenen Indexierung vor einer programmierbaren Leuchtquelle. Im Anschluss daran wird der Prüfzyklus gestartet, bei dem der Roboter eine intelligente 2D-Kamera für mehrere Aufnahmen des Bauteils führt. Hierbei unterscheiden sich die einzelnen Aufnahmen durch den Winkel zwischen Kamera und Prüfteil, wodurch unterschiedliche Fehlerarten klassifiziert werden. Die Bildverarbeitung selbst findet bereits in der intelligenten Kamera statt. Die Verarbeitung beinhaltet die Identifikation eines Fehlers auf der transparenten Oberfläche sowie – in Verbindung mit den Koordinaten des Roboters – die Lokalisierung des Fehlers auf dem Bauteil. Als Fehlerarten werden beispielsweise Kratzer, Einschlüsse und so weiter durch die Bildverarbeitungs-Software der Kamera erkannt. Nach der Überprüfung des Bauteils wird dieses vom Roboter wiederaufgenommen und an eine Position gelegt, die eine einfache Integration in den Materialfluss für die Weiterverarbeitung erlaubt. Die Steuerung des Ablaufs von Roboter, Bildverarbeitungs-Kamera und Beleuchtung erfolgt durch einen einfachen Industrie-PC. Dieser überträgt die Prüfergebnisse, zusammen mit gegebenenfalls gefundenen Fehlermarkierungen in den Originalaufnahmen der Kamera, an die Prädiktions-Plattform. Hier erfolgt die Zuordnung dieser Informationen zu den übrigen Daten des Bauteils. Auf Basis dieser Informationen wird das Modell für die Qualitätsprognose laufend verbessert.

Big Data Architektur für die vorausschauende Qualitätssicherung (Bild: SALT Solutions GmbH)

Big Data Architektur für die vorausschauende Qualitätssicherung (Bild: SALT Solutions GmbH)

Cloud-Infrastrukturen sind besonders geeignet

Die dargestellte Plattform-Architektur für die vorausschauende Qualitätssicherung kann in gleicher Form sowohl in privaten als auch in öffentlichen Cloud-Umgebungen eingesetzt werden. Für kleinere und mittlere Fertigungsunternehmen oder Einstiegsprojekte bietet sich zunächst der Betrieb bei einem externen Cloud-Anbieter an. Durch die gute Skalierung der verwendeten Komponenten bestimmen sich dabei die laufenden Kosten nur durch die Intensität der Nutzung. Für größere Industrieunternehmen ist der Einsatz einer eigenen Unternehmens-Cloud häufig kostengünstiger, insbesondere wenn mehrere Standorte die Plattform nutzen. Aus Sicherheitsgründen ist es vorteilhaft, keine direkte Verbindung zwischen dem externen Netzwerk zur Cloud und dem produktionsinternen Netzwerk mit den Datenquellen herzustellen. Dies kann durch einen Edge-Cloud-Service erfolgen, der Daten sammelt und sie bei Bedarf auch verschlüsselt. Dieser Service lässt sich so einrichten, dass Daten nur in Richtung Cloud übertragen werden können, aber keine Zugriffe von außen möglich sind. Alle Benachrichtigungen und Visualisierungen auf Basis der Daten und Prognose-Modelle werden über getrennte Anwendungen zur Verfügung gestellt. Den Produktionsmitarbeitern stehen diese dann – ja nach persönlichen Berechtigungen – in einem unternehmensspezifischen App-Store zur Verfügung.

Demonstrator auf der Hannover Messe zu sehen

Die vorgestellte Architektur wird in dem vom BMWi geförderten industriellen Verbundprojekt ‘Offene, intelligente Services für die Produktion’ (www.openserv4p.de) entwickelt und erprobt. Dabei wurde bereits eine breit einsetzbare Big-Data-Architektur entwickelt, mit der Machine-Learning-Anwendungen nicht nur für das dargestellte Beispiel, sondern für verschiedene Aufgaben rund um prädiktive Dienste in der Produktion implementiert werden können. Neben Funktionen für die vorausschauende Qualitätssicherung stehen dabei Instandhaltungsoptimierungen und das Risikomanagement in Prozessketten im Fokus. Die industrielle Einsetzbarkeit des Konzeptes wird durch die Integration in reale Fertigungsprozesse und laufende Überprüfungen im Hinblick auf die IT-Sicherheit erreicht. Auf der Hannover Messe Industrie 2018 wird das dargestellte Beispiel zur vorausschauenden Qualitätssicherung in Halle 2, Stand C28 gezeigt. n @WK Kontakt: @WK Kontakt:www.salt-solutions.de

www.openserv4p.de

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Im Fertigungsumfeld geht es beispielsweise um die Auslastung von Maschinen, Qualität und Produktivität. Die Zahl der Stellgrößen sowie der Zielparameter ist beliebig groß. Auch lassen sich manche Parameter nur manuell verändern. Trotzdem führen Ansätze der Selbstregelung zum Erfolg – vorausgesetzt, man definiert die passenden Regelkreise und stattet diese mit den notwendigen Kompetenzen und Befugnissen aus.

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