Quantencomputer und Autos

Startschuss für Experimente

Besser als über das Potenzial von Quantencomputern nur zu diskutieren, sind Versuche mit der Technologie. Und welcher Branche ist zuzutrauen, als erstes Profit auf dieser Zukunftstechnologie zu schlagen? Die Automobilhersteller evaluieren bereits die Nutzenaspekte – der Raum für Experimente ist offen.

(©Bartek Wróblewski/stock.adobe.com)

Quantencomputer stellen eine der meistdiskutierten Zukunftstechnologien dar. Es wird aber nicht nur diskutiert, sondern auch investiert. Aktuell fließt zunehmend mehr Geld in den Wissens- und Infrastrukturaufbau von Quantentechnologien. Allein das Bundeswirtschaftsministerium stellt zwei Milliarden Euro im Rahmen des 2021 verabschiedeten Konjunktur- und Zukunftspakets für Forschung in Quantencomputing zur Verfügung. Bei Quantencomputern handelt es sich nicht um eine Erweiterung der rechnerischen Kapazitäten von heute, sondern um eine völlig neue Technologie. Selbst für versierte IT-Experten ist Quantencomputing in der Regel Neuland.

Parallelität & Wahrscheinlichkeitslösung

Ein Quantencomputer verarbeitet nicht seriell eine Abfolge einzelner Zahlen, wie es die binären Rechner leisten, sondern arbeitet mit Quantenzuständen mikroskopisch kleiner Systeme, sogenannten Qubits. Mathematisch betrachtet arbeiten Qubits gleichzeitig – in gewissem Sinne parallel – an allen möglichen Rechenlösungen. Das Ergebnis dieser wortwörtlich ganzheitlichen Betrachtung in Quantencomputern ist aber lediglich eine Wahrscheinlichkeitslösung. Denn Quantencomputer messen die Zustände von Qubits, bis sie eine Priorisierung für einen bestimmten Wert ergeben. Die Unschärfe, ein fundamentaler Aspekt der Quantenphysik, wird an dieser Stelle deutlich.

Ob die Rechenergebnisse von Quantencomputern gültige Lösungen sind, muss daher oft überprüft werden. Und dennoch ist die Errechnung durch einen Quantencomputer sowie die abschließende Prüfung oft viel schneller als eine klassische Rechnung. Neben der Fähigkeit, eine enorm hohe Anzahl von Kombinationen auswerten zu können, bieten die Wahrscheinlichkeitslösungen eines Quantencomputers weitere Chancen: Die Wahrscheinlichkeitsrechnungen führen zu echten Zufallszahlen, so dass beispielsweise Verzerrungen in Simulationsrechnungen vermieden werden können, die auf deterministische Zufallsgeneratoren zurückgehen. Es ist daher möglich, Simulationen mit Quantencomputern realitätsnäher zu gestalten. Darüber hinaus können alle Bereiche, in denen große, komplexe Systeme mit sehr vielen Parametern berechnet werden, von der Technologie profitieren.

Anwendungspotenziale in der Automobilindustrie

Quantencomputer bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten, insbesondere für die Automobilbranche: von der Vertriebs- und Produktionsoptimierung über Simulationsrechnungen bis hin zum autonomen Fahren. Vor allem in Bezug auf autonomes Fahren könnte bereits existierende künstliche Intelligenz (KI) mit Quantencomputing kombiniert werden. KI wird heute prinzipiell zum Lernen eingesetzt, damit ein Fahrzeug sich selbst beibringt, wie es auf bestimmte Umwelteinflüsse reagieren kann. Aber dieser Prozess ist aufwendig: binär ausgerichtete KI benötigt viel Zeit, um die großen Datenmengen zu verarbeiten. Durch Quantencomputing können die Daten viel schneller analysiert und dadurch der Lernprozess des autonom fahrenden Autos beschleunigt werden. Automobilhersteller sind zudem immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Produktion zu optimieren. Sie erstellen Planungen, welche Modelle sie in welcher Menge in welchen Märkten verkaufen möchten.

Es muss errechnet werden, wie die Zielsetzungen zu den Ressourcen und Kapazitäten der Fabriken passen. Diese Aufgabe könnten Quantencomputer übernehmen, denn sie führen die Optimierungsrechnungen sehr schnell durch und können somit zur Kostensenkung und Umsatzerhöhung zeiteffizient beitragen. Doch der Einsatz von Quantencomputing ist nur in bestimmten Anwendungsszenarien in der Automobilindustrie sinnvoll und zielführend. Quantencomputing wird voraussichtlich nicht für Aufgaben wie die Suche in einer klassischen Datenbank verwendet werden. Extrem große Lösungsräume eignen sich hingegen schon: Beispielsweise können Quantencomputer bei der Simulation eines Autounfalls dabei helfen, die Schwachstellen an der Karosserie zu identifizieren oder die räumliche Veränderung eines bestimmten Punktes im Zuge des Unfalls festzustellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Vom 22. bis zum 26. April wird Hannover zum Schaufenster für die Industrie. Neben künstlicher Intelligenz sollen insbesondere Produkte und Services für eine nachhaltigere Industrie im Fokus stehen.‣ weiterlesen

Eine Umfrage von Hewlett Packard Enterprise (HPE) unter 400 Führungskräften in Industrie-Unternehmen in Deutschland zeigt, dass zwei Drittel der Befragten den Data Act als Chance wahrnehmen. Der Data Act stieß unter anderem bei Branchenverbänden auf Kritik.‣ weiterlesen

Carbon Management-Technologien stehen im Fokus, um CO2-Emissionen zu reduzieren und zu managen. Die Rolle des Maschinenbaus und mögliche Entwicklungspfade betrachtet eine neue Studie des VDMA Competence Center Future Business.‣ weiterlesen

Deutsche Unternehmen nehmen eine zunehmende Bedrohung durch Cyber-Angriffe wahr. Das zeigt eine aktuelle Umfrage vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von 1&1 Versatel, an der mehr als 1.000 Unternehmensentscheider teilnahmen.‣ weiterlesen

Fraunhofer-Forschende haben für Fahrer und Fahrerinnen von Baumaschinen einen Helm mit integriertem Beschleunigungssensor entwickelt. Die Helm-Sensorik misst die Vibrationen der Baumaschinen. Die Sensorsignale werden analysiert, eine Software zeigt die Belastung für den Menschen an.‣ weiterlesen

Hohe Geschwindigkeit und hohe Erkennungsraten sind die Anforderungen an die Qualitätskontrolle in der Verpackungsbranche. Wie diese Anforderungen erreicht werden können, zeigt das Unternehmen Inndeo mit einem Automatisierungssystem auf Basis von industrieller Bildverarbeitung und Deep Learning.‣ weiterlesen

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company könnten Unternehmen ihre Produktivität durch digitale Tools, Industrie 4.0-Technologien und Nachhaltigkeitsmaßnahmen steigern. Deren Implementierung von folgt oft jedoch keiner konzertierten Strategie.‣ weiterlesen

Jeder zweite Betrieb investiert laut einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall zu wenig am Standort. Demnach verfügen rund 48 Prozent der Unternehmen über eine Transformationsstrategie. Zudem sehen die Betriebsräte ein erhöhtes Risiko für Verlagerungen.‣ weiterlesen

Ziel des neuen VDMA-Forums Manufacturing-X ist es, der zunehmenden Bedeutung von Datenräumen als Basis für neue, digitale Geschäftsmodelle Rechnung zu tragen. Wie der Verband mitteilt, soll das Forum auf dem aufbauen, was in der letzten Dekade durch das VDMA-Forum Industrie 4.0 erarbeitet wurde. ‣ weiterlesen

Ob es sich lohnt, ältere Maschinen mit neuen Sensoren auszustatten, ist oft nicht klar. Im Projekt 'DiReProFit' wollen Forschende dieses Problem mit künstlicher Intelligenz zu lösen.‣ weiterlesen

@Grundschrift_NH:Die Implementierung von künstlicher Intelligenz in Unternehmen erreicht oft nicht das erforderliche Maß für eine signifikante Wertschöpfung. ‣ weiterlesen