Anwendungsfälle für Edge und Cloud

Nicht Gegner, sondern Partner

Die Cloud setzt sich durch – Public, Private, Hybrid und Multi Cloud gehören mittlerweile zum Unternehmensalltag. Besonders in der Industrie kommt Edge Computing als Betriebsform hinzu. Mit den richtigen Anwendungsszenarien können Edge und Cloud sinnvoll kombiniert werden. Die Auswahl des Dienstanbieters ist dabei auch eine Frage des Preis-Leistungsverhältnisses.

(Bild: ©Jacky/stock.adobe.com)

Technologien wie Big Data, künstliche Intelligenz (KI) und das Industrial Internet of Things (IIoT) verändern sowohl die Informationstechnologie (IT) als auch die Operational Technology (OT) im ‘Maschinenraum’ von Unternehmen. Vor allem in Produktion und Fertigung gilt es, Anwendungslandschaften zukunftsfähig zu machen und auf die Anforderungen von Industrie 4.0 umzustellen. An dieser Stelle kommt Edge Computing ins Spiel.

Die Sache mit der Latenz

Ob eine Anwendung vor Ort an der Edge realisiert werden sollte, hängt in erster Linie von den Anforderungen an die Latenz ab. Ist etwa die Strecke zwischen Fabrikhalle und zentraler Cloud zu lang und verursacht eine hohe Latenz, verlangsamen sich die Antwortzeiten. Diese Verzögerungen können bei Anwendungen, die auf Echtzeitverarbeitung angewiesen sind, zu Problemem führen und in Fertigungsprozessen die Produktivität von Maschinen und Anlagen senken. Daher empfiehlt es sich, bei der Steuerung von Echtzeitprozessen im IIoT-Umfeld auf Edge Computing zu setzen: Vor Ort implementierte Applikationen mit minimaler Latenz steuern Maschinen und Anlagen.

Hinzu kommen gewichtige rechtliche Gründe für den Einsatz von Edge-Devices: In vielen Unternehmen dürfen die verarbeiteten Daten aufgrund von Compliance-Bestimmungen wie der DSGVO das Betriebsgelände gar nicht erst verlassen. Gerade bei innovativen Industriebetrieben und ‘Hidden Champions’ hierzulande steckt häufig das gesamte Knowhow und der Innovationsvorsprung in den Daten. Diese in einer Public Cloud zu verarbeiten und zu speichern birgt immer das Restrisiko, dass Geschäftsgeheimnisse in falsche Hände geraten. Auch in diesem Fall ist Edge Computing – in Verbindung mit einer zentralen Private Cloud auf dem Betriebsgelände – ein Lösung.

Cloud und Edge arbeiten zusammen

Edge und Cloud wirken bei der Datenverarbeitung zusammen. Alle Edge-Daten, die nicht für die Echtzeitsteuerung benötigt werden, lassen sich über das Netzwerk an einen zentralen Cloud-Server senden, um dort analysiert und gespeichert zu werden. Vor Ort werden die Daten in der Regel temporär gespeichert und vorverarbeitet, während die entsprechenden Modelle in der zentralen Cloud abgelegt sind. So schickt etwa eine Anwendung zur Bilderkennung nicht das komplette Bild an die Cloud, sondern nur die von ihr gemäß der vorgegebenen Filter erkannten Muster. Im zentralen Rechenzentrum wiederum stehen Server mit leistungsstarken Grafikprozessoren (GPU) zur Verfügung. Diese sorgen in Verbindung mit KI-Verfahren wie Maschinellem Lernen dafür, dass die Bilderkennung für das Edge Computing immer weiter trainiert und verbessert werden kann.

Meldet eine Applikation vor Ort etwa Anomalien bei der Erkennung oder muss sie neu hinzugekommende Bauteile im Produktionsprozess unterscheiden, ist ein erneutes Training erforderlich. Danach wird ein Update der ML-Modelle an die Edge-Devices geschickt. Dafür kommen in vielen Unternehmen Container-Lösungen wie Docker zum Einsatz, die die Anwendung samt Laufzeitumgebung enthalten und zentrale Steuerungswerkzeuge wie Kubernetes. Damit lassen sich Anwendungspakete nach Bedarf an verschiedene Edges verteilen. So entsteht eine Art Kreislaufsystem, das auf kontinuierlichem Lernen beruht: In der zentralen Cloud wird die Anwendung trainiert, am Netzwerkrand (Edge) führt sie ihre Arbeit aus – bis wieder ein Update in der Cloud erforderlich ist, wo sie angepasst, neu berechnet und per Kubernetes deployed wird. Arbeitet z.B. ein Dutzend Industrieroboter an verschiedenen Standorten eines Unternehmens mit einer zentral in der Cloud entwickelten Edge-Anwendung, lässt sich diese in ebenso viele Container verpacken und in den jeweiligen Fabrikhallen zum Einsatz bringen.

Bei der Entwicklung ihrer Edge-Apps können Unternehmen IaaS (Infrastructure as a Service)- und PaaS (Plattform as a Service)-Ressourcen in der Private Cloud verwenden. Besonders nützlich ist dabei ein hybrides Szenario, wenn vorübergehend sehr hohe Rechenkapazitäten benötigt werden. Diese zusätzlichen Prozessorkerne lassen sich mittels Cloud Bursting kurzfristig aus der Public Cloud beziehen und nach getaner Arbeit wieder abschalten, ohne dass Gefahr für die verarbeiteten Daten besteht. Diese werden weiter in der Private Cloud gespeichert

Das könnte Sie auch interessieren

Vom 22. bis zum 26. April wird Hannover zum Schaufenster für die Industrie. Neben künstlicher Intelligenz sollen insbesondere Produkte und Services für eine nachhaltigere Industrie im Fokus stehen.‣ weiterlesen

Eine Umfrage von Hewlett Packard Enterprise (HPE) unter 400 Führungskräften in Industrie-Unternehmen in Deutschland zeigt, dass zwei Drittel der Befragten den Data Act als Chance wahrnehmen. Der Data Act stieß unter anderem bei Branchenverbänden auf Kritik.‣ weiterlesen

Carbon Management-Technologien stehen im Fokus, um CO2-Emissionen zu reduzieren und zu managen. Die Rolle des Maschinenbaus und mögliche Entwicklungspfade betrachtet eine neue Studie des VDMA Competence Center Future Business.‣ weiterlesen

Deutsche Unternehmen nehmen eine zunehmende Bedrohung durch Cyber-Angriffe wahr. Das zeigt eine aktuelle Umfrage vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von 1&1 Versatel, an der mehr als 1.000 Unternehmensentscheider teilnahmen.‣ weiterlesen

Hohe Geschwindigkeit und hohe Erkennungsraten sind die Anforderungen an die Qualitätskontrolle in der Verpackungsbranche. Wie diese Anforderungen erreicht werden können, zeigt das Unternehmen Inndeo mit einem Automatisierungssystem auf Basis von industrieller Bildverarbeitung und Deep Learning.‣ weiterlesen

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company könnten Unternehmen ihre Produktivität durch digitale Tools, Industrie 4.0-Technologien und Nachhaltigkeitsmaßnahmen steigern. Deren Implementierung von folgt oft jedoch keiner konzertierten Strategie.‣ weiterlesen

Jeder zweite Betrieb investiert laut einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall zu wenig am Standort. Demnach verfügen rund 48 Prozent der Unternehmen über eine Transformationsstrategie. Zudem sehen die Betriebsräte ein erhöhtes Risiko für Verlagerungen.‣ weiterlesen

Ziel des neuen VDMA-Forums Manufacturing-X ist es, der zunehmenden Bedeutung von Datenräumen als Basis für neue, digitale Geschäftsmodelle Rechnung zu tragen. Wie der Verband mitteilt, soll das Forum auf dem aufbauen, was in der letzten Dekade durch das VDMA-Forum Industrie 4.0 erarbeitet wurde. ‣ weiterlesen

Ob es sich lohnt, ältere Maschinen mit neuen Sensoren auszustatten, ist oft nicht klar. Im Projekt 'DiReProFit' wollen Forschende dieses Problem mit künstlicher Intelligenz zu lösen.‣ weiterlesen

Wie kann eine Maschine lernen, sich in unserer Lebenswelt visuell zu orientieren? Mit dieser Frage setzen sich die Wissenschaftler am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) aktuell auseinander – und entwickeln Lösungen.‣ weiterlesen

Die seit 2020 geltende staatliche Forschungszulage etabliert sich im deutschen Maschinen- und Anlagenbau mehr und mehr als Instrument der Forschungsförderung. Ein wachsender Anteil der Unternehmen nutzt die Forschungszulage. Besonders geschätzt werden die verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten sowie der erleichterte Zugang zur staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE).‣ weiterlesen