Funktionsweise und Potenziale der Technologie

Was kann Quantencomputing?

Quantencomputer versprechen enorme Rechenleistung und bieten großes Potenzial für Gesellschaft und Wirtschaft. Sie könnten etwa dazu eingesetzt werden, neue medikamentöse Wirkstoffe zu finden. Doch wie ist der aktuelle Stand der Technologie? Dr. Marco Roth vom Fraunhofer IPA gibt einen Überblick.

(Bild: ©John-D/stock.adobe.com)

Die Digitalisierung durchdringt sowohl gesellschaftliche als auch professionelle Prozesse bis hin zur Transformation ganzer Industriezweige. Möglich wird der rasante Fortschritt dieser digitalen Revolution durch stets wachsende Rechenleistung. Dieses Wachstum wird zu einem großen Teil durch das Moor’sche Gesetz gewährleistet. Es besagt, dass sich die Anzahl an Transistoren auf gängigen Chips etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Ein wesentlicher Treiber dieser Beobachtung, die oft auch als selbsterfüllende Prophezeiung betrachtet wird, ist die Miniaturisierung elektrischer Schaltkreise. Die Größe von Komponenten in gängigen Transistoren beläuft sich heute auf nur noch wenige Nanometer. Dies wirft die Frage auf, wie weit man diese Verkleinerung noch vorantreiben kann. Die Antwort: Es sind sogar Berechnungen mit Bauteilen auf der Größenskala einzelner Atome möglich, auch wenn sich das zugrundeliegende Rechenparadigma grundlegend von der Art unterscheidet, wie herkömmliche Computer arbeiten.

Die Anfänge des Quantencomputing

Der Unterschied liegt darin begründet, dass die Gesetzmäßigkeiten des Mikrokosmos stark von dem abweichen, was in unserem Alltag erfahrbar ist. Die physikalische Theorie, die das Verhalten von sehr kleinen Systemen beschreibt, ist die Quantenmechanik. Quantencomputing beschreibt die Nutzung quantenmechanischer Systeme zur Durchführung von Berechnungen. Den ersten Popularitätsschub hat das Feld Anfang der 1990er Jahre durch die Entwicklung des Shor-Algorithmus erfahren.

Der Algorithmus erlaubt eine effiziente Zerlegung von Zahlen in ihre Primfaktoren. Was zunächst abstrakt klingt, könnte enorme realweltliche Auswirkungen haben, da eine Reihe der gängigen Kryoptographiemethoden in der IT wie z.B. Rivest-Shamir-Adleman (RSA) auf der Annahme basieren, dass es keinen Algorithmus gibt, der die Faktorisierung in polynomischer Laufzeit erlaubt. Der Shor-Algorithmus macht aber genau das möglich und stellt daher die bestehende Sicherheitsarchitektur vieler IT-Systeme infrage.

In den folgenden Jahren wurden weitere Algorithmen entdeckt, die einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber den besten bekannten Methoden versprechen. Im Idealfall schrumpfen so die Rechenzeiten bestimmter Algorithmen von mehreren Jahren auf einige Tage, was somit potenziell den Zugang zu derzeit unlösbaren Problemen ermöglicht. Heute steht Quantencomputing an der Schwelle von der Grundlagenforschung zur Anwendung. Die Nutzung quantenbasierter Algorithmen birgt großes gesellschaftliches und wirtschaftliches Potenzial.

So kam eine McKinsey-Analyse 2021 zu dem Schluss, dass der Value at Stake durch Quantencomputing allein in den Industriebereichen Chemie, Pharmazeutik, Automotive und Finanzen im Jahr 2035 zwischen 300 und 700 Milliarden US-Dollar betragen könnte. Da es sich dabei um Prognosen handelt, die auf Annahmen über die künftige technologische Entwicklung basieren, sind diese Zahlen aber mit einer großen Unsicherheit behaftet. Konkret könnten Anwendungen wie die Entwicklung von medikamentösen Wirkstoffen, die Optimierung von Warenströmen oder die Konstruktion neuartiger Materialien von Quantencomputing profitieren.

Die Funktionsweise

Doch was genau macht Quantencomputing potenziell so mächtig? In Analogie zum Bit, der kleinsten Informationseinheit für herkömmliche Computer, bezeichnet man das kleinste quantenmechanische System, mit dem man Berechnungen durchführt, als Qubit. Zum Bau eines Qubits können verschiedene physikalische Systeme wie supraleitende Schaltkreise, eingefangene Ionen oder spezielle Diamanten genutzt werden. Qubits sind, anders als Transistoren, auf deren Basis Bits konstruiert werden, keine binären Systeme mit nur zwei exklusiv einnehmbaren Zuständen. Vielmehr können sie in sogenannten quantenmechanischen Superpositionszuständen existieren, in denen sie mehrere Zustände zur gleichen Zeit einnehmen. Ein Qubit kann somit nicht nur in den herkömmlichen Zuständen 0 und 1, sondern auch in einer Mischung aus 0 und 1 gleichzeitig vorliegen. Durch die Verknüpfung mehrerer Qubits erhöht sich die Anzahl an möglichen Zuständen, die simultan eingenommen werden, exponentiell, sodass schon ein Quantencomputer mit ca. 50 Qubits Zustände erzeugen kann, die mit derzeit verfügbaren Hochleistungsrechnern nicht simulierbar sind.

Neben der Größe des Zustandsraums können Quantencomputer auf eine weitere Ressource zurückgreifen, die nur quantenmechanischen Systemen zur Verfügung steht: die Verschränkung. Von Albert Einstein einst skeptisch als spooky action at a distance bezeichnet, ist die Verschränkung längst selbstverständlicher Teil der Quantenmechanik, wie z.B. die Vergabe des Nobelpreises für Physik an die Quantenforscher Alain Aspect, John Clauser und Anton Zeilinger im Jahr 2022 gezeigt hat. Verschränkte Systeme weisen nicht-klassische Korrelationen auf, bei denen die Manipulation eines Teilchens auch über große Entfernungen (einen Kilometer und mehr) Implikationen auf den Zustand eines mit ihm verschränkten Teilchens haben kann.

Das könnte Sie auch interessieren

Werkzeugbahnen für Zerspanprozesse in CAM-Systemen zu planen erfordert Expertenwissen. Viele Parameter müssen bestimmt und geprüft werden, um die Bahnplanung Schritt für Schritt zu optimieren. Im Projekt CAMStylus arbeiten die Beteiligten daran, diese Aufgabe zu vereinfachen - per KI-gestützter Virtual-Reality-Umgebung.‣ weiterlesen

In einer Studie von Techconsult in Zusammenarbeit mit Grandcentrix wurden 200 Unternehmen ab 250 Beschäftigten aller Branchen zum Thema ESG in ihren Unternehmen befragt. Die Studie hebt die zentrale Rolle der jüngsten CSR-Direktive der EU bei der Förderung von Transparenz und Nachhaltigkeit in Unternehmen hervor. Dabei beleuchtet sie die Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien (ESG) im Zusammenhang mit der Nutzung von IoT-Technologien.‣ weiterlesen

AappliedAI hat vier KI Use Cases identifiziert, die es dem produzierenden Gewerbe ermöglichen, ihre Effizienz und Produktivität zu steigern. Mit der Anwendung bewährter Technologien können sich die Investitionen bereits nach einem Jahr amortisieren.‣ weiterlesen

Hinter jedem erfolgreichen Start-up steht eine gute Idee. Bei RockFarm sind es gleich mehrere: Das Berliner Unternehmen baut nachhaltige Natursteinmauern aus CO2 bindendem Lavagestein. Oder besser gesagt, es lässt sie bauen - von einem Yaskawa-Cobot HC10DTP.‣ weiterlesen

Mit über 2,2Mio.t verarbeitetem Schrott pro Jahr ist die Swiss Steel Group einer der größten Recyclingbetriebe Europas. Für seinen 'Green Steel', also Stahl aus recyceltem Material, arbeitet das Unternehmen an einem digitalen Zwilling des ankommenden Schrotts.‣ weiterlesen

Laut einer aktuellen Studie von Hitachi Vantara betrachten fast alle der dafür befragten Unternehmen GenAI als eine der Top-5-Prioritäten. Aber nur 44 Prozent haben umfassende Governance-Richtlinien eingeführt.‣ weiterlesen

61 Prozent der Unternehmen in Deutschland wollen laut einer Bitkom-Befragung per Cloud interne Prozesse digitalisieren, vor einem Jahr waren es nur 45 Prozent. Mittelfristig wollen die Unternehmen mehr als 50 Prozent ihrer Anwendungen in die Cloud verlagern.‣ weiterlesen

Mit generativer KI erlebt 'Right Brain AI', also eine KI, die kreative Fähigkeiten der rechten menschlichen Gehirnhälfte nachahmt, derzeit einen rasanten Aufstieg. Dieser öffnet aber auch die Tür für einen breiteren Einsatz von eher analytischer 'Left Brain AI'. Das zeigt eine aktuelle Studie von Pegasystems.‣ weiterlesen

Um klima- und ressourcengerechtes Bauen voranzubringen, arbeiten Forschende der Bergischen Universität Wuppertal in ihrem Projekt TimberConnect an der Optimierung von digitalen Prozessen entlang der Lieferkette von Holzbauteilen. Ihr Ziel ist unter anderem, digitale Produktpässe zu erzeugen.‣ weiterlesen

Rund zwei Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland verwenden ChatGPT und Co. zumindest testweise, 37 Prozent arbeiten regelmäßig mit KI-Anwendungen. Doch auch Cyberkriminelle machen sich vermehrt die Stärken künstlicher Intelligenz zunutze - mit weitreichenden Folgen.‣ weiterlesen

Erstmals seit der Energiekrise verzeichnet der Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie mit allen drei Teilindizes (die Bedeutung, Produktivität und Investitionen betreffend) einen leichten Rückgang. Mögliche Gründe erkennt EEP-Institutsleiter Professor Alexander Sauer in der Unsicherheit und der drohenden Rezession, der dadurch getriebenen Prioritätenverschiebung und der Reduktion von Produktionskapazität.‣ weiterlesen