Losgröße 1 in der Serienfertigung

IT für Mass Customization

Mit modernen Fertigungsprozessen und Technik lässt sich heute ein personalisiertes Produkt zum Preis der Serienfertigung herstellen. Mass Customization heißt das. Doch auf dem Weg dorthin müssen sich Abläufe und Produktions-IT großen Herausforderungen stellen.

(Bild: ©jeson/stock.adobe.com)

Der Begriff Mass Customization ist jünger als das Prinzip dahinter. So wählt jeder, der sich einen Neuwagen bestellt, aus einer großen Vielfalt möglicher Ausprägungen eines Serienprodukts: Farbe, Motorisierung, Sitzbezüge, Felgen, Sonderausstattung und vieles mehr. Trotzdem laufen alle Fahrzeuge eines Typs auf der gleichen Fertigungslinie. Bei manchen Herstellern laufen sogar unterschiedliche Fahrzeuge auf einer Linie. Doch wie ist das möglich? Jedes Auto besteht aus einer großen Menge an Standardkomponenten, die zu einem individuellen Fahrzeug zusammengesetzt werden, etwa Chassis, Motor, Getriebe, Bremsen, Räder, Sitze und Lenkrad.

Das passiert in der Montagelinie. Die einzelnen Komponenten werden entweder in großer Stückzahl vorgefertigt und angeliefert oder ebenfalls in einer variantenreichen Linienfertigung hergestellt und direkt an die Linie des Automobilherstellers geliefert. Letzteres nennt man auch Just-in-Time und Just-in-Sequence, da die Teile auch in einer vom Assemblierer exakt vorgegebenen Reihenfolge angeliefert werden müssen. Die Zusammenstellung der Optionen im Fahrzeugkonfigurator geben vor, welche Komponenten bei diesem speziellen Auto kombiniert werden. Anhand der Seriennummer ist jedes Fahrzeug eindeutig zu erkennen.

Anforderungen an die Fertigungs-IT

Die klassische Fertigungs-IT in Form eines Manufacturing Execution Systems (MES) stößt bei Montageprozessen für so feingranular serialisierte Produkte oft an ihre Grenzen: Der üblichen Strukturierung in Aufträge und Arbeitsgänge fehlt die Tiefe, um einzelne Arbeitsschritte abzubilden. Die Feinsteuerung der einzelnen Arbeitsschritte in der Montagelinie wird auch heute noch oftmals durch Automatisierungstechnik gelöst. Hierbei übernehmen Kopfsteuerungen, meist basierend auf weit verbreiteter SPS-Technologie, das Handling unterschiedlicher Varianten im Fertigungsprozess.

Das bedeutet, dass jede Produktvariante und auch die Anweisungen und Steuerkommandos dazu fest in die Steuerung programmiert werden. Für das MES ist somit nur der Arbeitsgang ‘Montage’ sichtbar, nicht aber die detaillierten Abläufe innerhalb der Montagelinie. Insbesondere bei kleinen Losgrößen und einer großen Variantenvielfalt führt das entweder zu mangelnder Transparenz oder zu sehr vielen Aufträgen und Arbeitsgängen mit sehr kleinen Stückzahlen. Beides erhöht die Komplexität unnötig und führt langfristig zum Verlust der Übersichtlichkeit. Wenn sich zudem etwas an den Varianten oder am Produktkonfigurator ändert, braucht es einen Programmierer, der diese Änderung in der Kopfsteuerung umsetzt. Beim heutigen Fachkräftemangel ist das eher ungünstig.

Montageprozesse flexibler abbilden

In der variantenreichen Serienfertigung braucht es daher flexiblere Steuerungs- und Informationskonzepte, etwa in die Fertigungs-IT integriert. Hier werden sowohl die Fertigungslinie mit all ihren Arbeitsstationen als auch sämtliche Arbeitsschritte inklusive möglicher Verzweigungen abgebildet – möglichst in Software modelliert und nicht in der Steuerung programmiert. Dabei sind alle definierten Produktvarianten nach den entsprechenden Arbeitsanweisungen sowie alle Arbeitsstationen und die dort angeschlossenen Peripheriegeräte zu berücksichtigen.

Auch Nacharbeitsschleifen sind als Teil des Ablaufschemas abzubilden. In einem zweiten Schritt werden einzelne Produktvarianten als Untermenge des Gesamtablaufs definiert. Sobald die Herstellung eines bestimmten Produkts angestoßen wird, dient der jeweils passende Ablaufplan als Vorlage für die Werker an den jeweiligen Arbeitsstationen. In der Komponenten-Vorfertigung erfolgt der Startschuss für ein Produkt meist durch sogenannte Abrufe der Teile in bestimmten Ausprägungen. Die eigentliche Montage des Autos erfolgt auf Basis der Kundenbestellung und löst entsprechende Abrufe von Komponenten aus. Wer die Variantenvielfalt und die Montageprozesse in einer Software abbildet, braucht für das Modellieren keinen SPS-Programmierer. Je nach Flexibilität der eingesetzten Anwendung kann das auch ein Prozessingenieur oder der zuständige Produktmanager übernehmen.

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