Die Frage, ob der Maschinenbau auch ohne Schaltschränke auskommen kann, steht schon seit langer Zeit im Raum. Und tatsächlich wurden bereits einzelne Konzepte von schaltschranklosen Maschinen oder schaltschrankloser Antriebstechnik realisiert. Die Firma Murrelektronik vertritt in diesem Zusammenhang eine sogenannte ‘Zero Cabinet’-Philosophie. Ihr Geschäftsführer und CTO Jürgen Zeltwanger behauptet daher folgerichtig "Der Schaltschrank verschwindet", schränkt allerdings gleichzeitig ein "…aber nie ganz!". Was es mit diesem Credo auf sich hat, erfuhr der SCHALTSCHRANKBAU im Interview.
Jürgen Zeltwanger: Murrelektronik verfolgt nun schon seit 25 Jahren einen Trend im Maschinenbau, mit möglichst wenig Schaltschrank auszukommen. Irgendwann sind wir dann mit unserer Mission ‘Zero Cabinet’ angetreten, wohl wissend, dass ‘Zero’ nicht unbedingt bedeutet, dass es gar keine Schaltschränke mehr geben wird. Aber wir sehen schon in den vergangenen Jahren, dass Schaltschränke für den Maschinenbau immer kleiner werden. Sie beinhalten zwar immer noch wichtige Leistungskomponenten, aber I/O-Boxen oder auch Stromversorgungen befinden sich zunehmend außerhalb des Schaltschranks. Auf der Hannover Messe vor zwei Jahren hat ein Maschinenbauer bereits eine gänzlich schaltschranklose Verpackungsmaschine vorgestellt. Murrelektronik sieht dies also schon als einen Trend, der um sich greift, der sich aber zugegebenermaßen sehr langsam entwickelt. Aufgegriffen haben wir dies wie erwähnt schon vor 25 Jahren mit der ersten Feldbusbox, damals noch mit einem proprietären, Murrelektronik-eigenem Bus. Dann folgte der Vorläufer des Profibus, der L-Bus, und so ging es dann weiter. Uns ist es dann relativ schnell gelungen, die Automobilindustrie von unserern Lösungen zu überzeugen. Technologisch sind die Automobilhersteller ja schon lange auf zahlreichen Gebieten Vorreiter, auch wenn es um solche Themen wie Safety oder IO-Link geht.
Zeltwanger: Viele Schaltschrankbauer werden von diesem Trend wohlmöglich wenig bis gar nichts zu spüren bekommen, denn Schaltschränke sind ja über eine ungeheure Bandbreite in zahlreichen Branchen vertreten. Da gibt es IT-Infrastrukturen, Rechenzentren, Niederspannungsschaltanlagen oder der gesamte Gebäudebereich: In all diesen Applikationen sind kilometerweise Schaltschränke verbaut. Die Schränke an der Maschine sind dabei nur ein sehr kleiner Teil. Deren Anteil wird aber schon geringer. Wenn Sie sich mit Schaltschrankbauern unterhalten, bestätigen diese, dass die Anzahl der kleinen, dezentralen Klemmenkästen weniger wird und dass insgesamt die maschinennahen Schaltschränke kleiner werden. Der Fokus von Murrelektronik liegt ja ausschließlich auf dem Maschinenbau und hier sehen wir schon, dass der Trend dahin geht, Funktionalitäten, die bisher im Schaltschrank untergebracht waren, in das Maschinendesign zu verlagern. Ein weiteres untrügliches Zeichen dafür ist, dass unsere Marktbegleiter ähnlich unterwegs sind wie wir. Murrelektronik sieht sich da auch in gewisser Weise als Markttreiber dieses Trends. Aber hier bietet sich aus meiner Sicht auch eine Chance für Schaltanlagenbauer, indem sie ihren Kunden Integrationsmöglichkeiten von Funktionalitäten in die Maschine aufzeigen. Einige Schaltschrankbauer haben ihr Angebotsspektrum tatsächlich schon entsprechend erweitert. Kurz: ‘nie ganz’, weil der Schaltschrank nicht komplett wegfällt, sondern nur kleiner wird, und zudem, weil dies in vielen Branchen gar kein Thema ist.
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