Die Verwaltungsschale in der Praxis

Digitale Zwillinge automatisch rekonfigurieren

Der Digitale Zwilling einer Produktionsanlage ermöglicht die Simulation des Verhaltens aktueller Konfigurationen. Die Implementierung neuer Produktionskonfigurationen kann so bereits im Vorfeld getestet werden. Die Integration der benötigten Simulationsmodelle einzelner Komponenten ist jedoch mit Aufwand verbunden. Hier kann die Verwaltungsschale helfen.

Bild: ISW – Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen. Universität Stuttgart

Der Digitale Zwilling einer Anlage setzt sich grundsätzlich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die jeweils ein eigenes Simulationsmodell besitzen. Diese Simulationsmodelle werden in der Regel von den Herstellern der Anlagenkomponenten geliefert und manuell in ein Gesamtmodell integriert. Dieser Prozess ist Zeit- und Kostenintensiv. Aus diesem Grund sollen Verwaltungsschalen eingesetzt werden, die die benötigten Informationen der Konfigurierung mit sich bringen. Mithilfe einer Verwaltungsschalenschnittstelle können dadurch neue Simulationsmodelle vom Komponentenhersteller direkt in das Gesamtmodell integriert werden. Dies optimiert den gesamten Prozess der Anlagenkonfiguration des Digitalen Zwillings. Mit dieser Idee der automatischen Rekonfiguration des Digitalen Zwillings mithilfe von Verwaltungsschalen beschäftigt sich aktuell eine Themengruppe im Verbundprojekt SDM4FZI.

Aus der aktuellen Sicht eines kleinen Mittelständers, stellt es eine große Herausforderung dar, überhaupt einen Digitalen Zwilling einzuführen. Ein einfacher Weg in die Digitalisierung und Einführung von Digitalen Zwillingen zu bezwecken ist die virtuelle Inbetriebnahme, in der schon in der Engineering-Phase ein virtuelles Abbild der realen Produktionsanlage erstellt wird. Wenn ein Digitaler Zwilling sich im Unternehmen etabliert hat kommt die nächste Hürde. Durch immer häufigeres Umkonfigurieren der Produktionsanlage, verursacht von wachsender Individualisierung, benötigt es nicht nur ein flexibles Produktionssystem, sondern auch einen Digitalen Zwilling, der sich bei einer realen Konfiguration anpasst. Im Verbundprojekt Software-defined Manufacturing für die Fahrzeug und Zulieferindustrie (SDM4FZI) beschäftigt sich eine Teilgruppe genau mit diesem Thema, wie ein Digitaler Zwilling auf Komponentenebene einfach und automatisiert bei Änderungen umkonfiguriert werden kann.

Bild: ISW – Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen. Universität Stuttgart

Verwaltungsschale als Digitaler Zwilling

Es gibt viele verschiedene Definitionen von Digitalen Zwillingen. Für manche ist ein Simulationsmodell schon ein Digitaler Zwilling, für andere die Datenaufzeichnung einer realen Anlage. Um eine Durchgängigkeit und den Umgang mit dem Digitalen Zwilling zu erleichtern, gibt es Verwaltungsschalen. Diese beschreiben etwa Informationen über eine reale Anlage in einer strukturierten Form. Diese strukturierte Form ist in verschiedenen standardisierten Teilmodellen definiert, die von der IDTA (Industrial Digital Twin Association) vorgegeben werden. Als Beispiel gibt es etwa ein Teilmodell ‘Nameplate’ welches Informationen wie Typnummer oder Herstellernummer enthält. Im Anwendungsbeispiel soll der Digitale Zwilling jedoch nicht nur auf Informationsebene umkonfiguriert werden, sondern das wirkliche Simulationsmodell, welches die reale Maschine abbildet. Dafür gibt es zwar das Teilmodell ‘SimulationModels’, das Informationen über das vorliegende Simulationsmodell in der Verwaltungsschale bereitstellt. Jedoch kann die Verwaltungsschale selbst nicht das Simulationsmodell umkonfigurieren, da es nur als Informationsmodell vorliegt.

Von der Theorie in die Praxis

Um zu testen, ob Verwaltungsschalen sinnvoll sind für das Rekonfigurieren von Simulationsmodellen auf Komponentenebene, wird im ersten Schritt ein realer Anwendungsfall beschrieben. Dieser umfasst einen Werkzeugwechsler von der Firma Homag, der mit Bosch Rexroth Antrieben bestückt ist. Dabei existiert im Anwendungsfall ein Simulationsmodell des Werkzeugwechslers, der auch die Simulationsmodelle des Antriebs mit sich bringt. Zudem benötigt es die Verwaltungsschalen des Werkzeugwechsels und des Antriebs, welche in Abbildung 1 dargestellt sind. Dabei haben sich folgende zwei Anwendungsfälle herauskristallisiert.

Im Fall A kann es sein, dass sich ein Antriebsmodell auf Seiten von Bosch Rexroth ändert, beispielsweise durch ein Firmwareupdate. In diesem Fall muss sich aktuell ein Inbetriebnehmer das Modell manuell von Bosch Rexroth herunterladen und aufwändig in das Gesamtmodell hinzufügen. Der andere Fall kann auch ein Parameterupdate sein, das im Antriebsmodell hinterlegt ist. Auch ein solches Updateverhalten soll durch ein automatisches Rekonfigurieren mithilfe von Verwaltungsschalen ermöglicht werden. Zusammengefasst geht es um die Anwendungsfälle Firmwareupdate und Parametersatzänderung.

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