Prozessautomation mit Flowciety

Die Wahrheit wird gespeichert

Tim Kiese ist Leiter der Produktentwicklung bei Flowciety und sitzt dort auch im Beirat. Er war bereits als Product Owner, Projektleiter und technischer Leiter in der Gaswirtschaft, dem Banken- und Bildungswesen tätig. Im Interview erklärt er, was sich hinter der Lösung des Unternehmens verbirgt und wie Blockchain und Cloud bei der Automatisierung von Prozessen helfen können.

Können Sie erläutern, was Flowciety macht und welche Problematik Sie lösen wollen?
Tim Kiese: Gerne. Flowciety ist dafür da, Prozesse zwischen Unternehmen zu automatisieren. Es gibt bereits eine Reihe von Lösungen, die das mit Prozessen innerhalb eines Unternehmens machen. Wenn es aber um die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen geht, scheitern diese Lösungen. Damit meinen wir den Vertrieb, den Einkauf von Rohmaterialien, Abschluss von Versicherungen und vielem mehr. Im Einkauf, z.B., müssen Bestellung und Bestellbestätigung häufig noch händisch abgeglichen werden, was einen hohen manuellen Aufwand generiert. Dadurch haben die Einkäufer:innen weniger Zeit für andere Thematiken, was weitreichende Folgen für die Unternehmung haben kann.

Bisherige Lösungen wurden meist von einem Unternehmen gekauft, bezahlt und betrieben, und alle anderen mussten sich dem anschließen. Flowciety löst dieses Problem, indem es diese Zentralität auflöst und vielmehr den Ansatz verfolgt, allen Beteiligten Mehrwerte zu bieten durch eine gemeinsame Automation. Intern habe ich die volle Kontrolle über Flowciety, über die ausgetauschten Daten und welche Systeme ich anbinden möchte. Dabei bin ich sehr flexibel, weil Flowciety eine Reihe von Schnittstellen, Datenformaten und Prozessen unterstützt. Extern benötige ich im Gegenzug einen Konsens, sodass keine Partei allein bestimmen kann, wie der Prozess abläuft. Dafür setzen wir auf eine Blockchain, die die Prozesssteuerung übernimmt und jeden Schritt protokolliert. Dadurch haben wir eine manipulationssichere Umgebung, auch wenn kein einzelnes Unternehmen die Kontrolle hat und viele zusammenarbeiten.

Erklären Sie uns, was man eigentlich unter der Blockchain versteht?
Kiese: Im einfachsten Sinne geht es um eine Struktur zur Datenspeicherung. Immer wenn eine Transaktion ausgeführt wird, wird das auf der Blockchain gespeichert. Jede Transaktion verweist dabei auf die vorherige, die wiederum auf die vorherige verweist, und so weiter -daher ‘Chain’, also Kette. Durch den Aufbau der Blockchain werden die Transaktionen manipulationssicher, denn wird eine Transaktion nachträglich verändert, wird der Verweis aller nachfolgenden Blöcke ungültig und setzt die Kette außer Kraft. Der ‘Block’-Teil kommt daher, dass mehrere Daten jeweils in einem Block gespeichert werden. In diesem Sinne ist eine Blockchain eine Art Datenbank, so wie SQL- oder No-SQL-Datenbanken.

Dank der Manipulationssicherheit ist Blockchain hervorragend als Medium für dezentrale Anwendungen geeignet. In solchen Anwendungen gibt es viele Teilnehmer, die alle die gleichen Rechte haben und Transaktionen verarbeiten. Alle haben gemeinsame Regeln für die Verarbeitung, diese nennt man ‘Smart Contract’. Die Teilnehmer einigen sich dann über verschiedene Algorithmen auf eine Wahrheit, die in der Blockchain gespeichert wird. Diese Einigung ist der Konsens, von dem im Blockchain-Umfeld häufig gesprochen wird. In diesem Sinne ist Blockchain eher ein Konzept, wie es Cloud oder Machine Learning sind. Technisch spricht man häufig von DLT, Distributed Ledger Technology, was das Prinzip besser trifft als Blockchain.

(Bild: Flowciety GmbH)

Sie haben gerade die Cloud genannt. Inwiefern unterscheidet sich die Cloud zur Blockchain?
Kiese: Bei der Cloud geht es praktisch darum, den Betrieb und das Management von Software an externe Profis abzugeben und Software als Service (SaaS) einzukaufen. Die Vorteile von Cloud liegen darin, mehr Flexibilität zu bieten, z.B. besser Lastspitzen abzufangen und den Betrieb nur dann zu bezahlen, wenn die Software wirklich benötigt wird. Vereinfacht gesagt, geht es bei der Cloud um Zentralisierung und um die Abgabe von Kontrolle und Verantwortung, um Skaleneffekte zu erzielen. Bei Blockchain hingegen geht es um Dezentralisierung und Übernahme von Verantwortung ohne die Kontrolle abzugeben.

Können Sie ein paar Beispiele für Cloud und Blockchain-Anwendungen geben?
Kiese: Bei z.B. nicht unternehmenskritischen Anwendungen, die selten genutzt werden, bietet sich die Cloud an. Das hoch- und runter skalieren ist in der Cloud einfacher, und ich kann Geld sparen, weil ich nur das bezahle, was ich wirklich brauche. Dazu kommt, dass ich keinen Wartungsaufwand für die hochkomplexe Infrastruktur brauche, weil das extern durchgeführt wird. Beispiele sind, die Office-Suiten von Microsoft oder Google, wo ich ohne Probleme einen oder tausende User anmelden kann, und pro User zahle, statt pro Server oder Ähnliches. Blockchain bietet sich dort an, wo ich viele Parteien habe, die alle ähnliche Rollen und Rechte haben. Wir sehen das im Einkauf und Vertrieb im Mittelstand, aber klassische Beispiele sind auch Versicherungen und Financing.

Worauf müssen Unternehmen achten, die Prozesse automatisieren wollen?
Kiese: Die entscheidenden Faktoren sind Standardisierung, Aufwand und Fehlerkosten. Ein Prozess ist nur dann ein Prozess, wenn er einen vordefinierten Ablauf hat, dem er immer wieder folgt. Wenn ein Prozess zu viele Ausnahmen und Sonderfälle hat, wird die Automatisierung zu komplex und lohnt sich nicht mehr. Zudem muss der Prozess manuellen Aufwand erzeugen – wenn ich alle zwei Wochen eine Bestellung auslöse und dafür fünf Minuten brauche, gibt es einfach nicht genug Einsparpotential.

Zu den Fehlerkosten: Wir haben Kunden, die Artikelnummern prüfen müssen, da es sich um elektronische Bauteile handelt. Dort sitzen Menschen, die manuell zehnstellige alphanumerische Artikelnummern aus der Bestellung und der Bestellbestätigung vergleichen – seitenweise. Ein Zahlendreher kann, in diesem Beispiel, zu einem fehlerhaften Endprodukt führen.

Das wiederum zu Reklamationen, Vertrauensverlust, eventuell sogar Schadensersatzforderungen führen kann. Es gibt noch eine Reihe weiterer Faktoren – z.B. die Sensibilität der Daten. Sensible Daten werden noch viel zu häufig per Mail, Brief oder Fax ausgetauscht. Niemand kann garantieren, dass tatsächlich jeder Brief geschreddert und jede E-Mail gelöscht wird, auch wenn die DSGVO das fordert. Es kann also rein aus regulatorischen Gründen sinnvoll sein, Prozesse zu automatisieren, da damit typischerweise auch eine automatische Protokollierung einhergeht.

Welche der beiden Technologien eignet sich besser für die Digitalisierung über Unternehmensgrenzen hinweg? Oder können Sie sich für die Zukunft eine Kombination der beiden Technologien vorstellen?
Kiese: Es gibt viele Probleme, bei denen diese Technologien eine gute Lösung bieten. Über Unternehmensgrenzen hinweg, also mit mehreren Beteiligten, sollte ich Richtung Blockchain denken. Insbesondere, wenn die Beteiligten einigermaßen gleichberechtigt sind. Eine Kombination von Cloud und Blockchain, Blockchain als SaaS, ist durchaus denkbar. Es gibt bereits verschiedene Angebote in diese Richtung, ob die immer so sinnvoll sind oder nicht, sei dahingestellt. Letztlich kommt das auf den Einzelfall an. Perspektivisch werden sich sicherlich hybride Lösungen entwickeln, die on-premise oder in der Cloud betrieben werden können. So machen wir das auch mit Flowciety, um flexibel auf die Anforderungen vor Ort reagieren zu können.

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