Do-it-yourself-System
für Predictive Maintenance

Mit Datenanalysen auf Basis mathematischer Vorhersagemodelle lässt sich früh erkennen, wenn sich Zustände grundlegend ändern. Was in der Finanzindustrie seit langem zum Standard zählt, könnte Anlagenbetreibern erhebliche Instandhaltungsausgaben ersparen. Viele Maschinenhersteller halten sich mit solchen Angeboten allerdings noch zurück und überlassen externen Spezialisten somit einen interessanten Markt.

Die Kommunikationsbeziehungen einer digitalisierten Fabrik lassen sich meist in drei Domains (OT = Operational Technology, CT = Cloud Technology, IT = Information Technology) gliedern. Ein Predictive Maintenance-Gateway wird typischerweise direkt in der OT-Domain eingesetzt. (Bild: SSV Software Systems GmbH)

Die Kommunikationsbeziehungen einer digitalisierten Fabrik lassen sich meist in drei Domains (OT = Operational Technology, CT = Cloud Technology, IT = Information Technology) gliedern. Ein Predictive Maintenance-Gateway wird typischerweise direkt in der OT-Domain eingesetzt. (Bild: SSV Software Systems GmbH)


Fragt man Maschinen- und Anlagenbauer, warum die jeweils angebotenen Produkte nicht von Haus aus mit einem Predictive Maintenance-System oder zumindest mit dafür geeigneten Datenschnittstellen ausgerüstet werden, kommt in der Regel mindestens eine von diesen zwei Antworten:

  • • Die dafür erforderliche Sensorik und Datentechnik sei noch viel zu teuer. Durch den höheren Verkaufspreis würde sich die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte reduzieren.
  • • Bei einer Maschine oder Anlage würden vor Ort sehr viele Daten anfallen. Um diese in der Unternehmenszentrale auszuwerten, müsste schon eine sehr breitbandige Kommunikationsverbindung direkt bis zur Maschine beim Kunden zur Verfügung stehen. Das sei zu teuer. Im Übrigen würden Betreiber der Maschinen in der Regel überhaupt keine externen Datenverbindungen akzeptieren.

Sensoren werden günstiger

Dabei waren Systeme zur Vorausschauenden Instandhaltung noch nie einfacher umzusetzen als heute. Durch den Hype um das Internet der Dinge in der Konsumerelektronik und anderen Marktsegmenten werden Monitoring-Sensoren kommunikationsfähiger und günstiger. Darüber hinaus bieten die meisten Anlagen mit ihren SPSen bereits viele geeignete Daten, die bisher in der Steuerung verborgen beziehungsweise isoliert sind. Um eine entsprechende Lösung einzurichten, sollte mithilfe eines Predictive Maintenance-Gateways auf diese Daten zugegriffen und geklärt werden, welche für die Zustandsüberwachung relevanten Informationen sich aus diesen Daten gewinnen lassen. Am Beispiel eines pneumatischen Subsystems zum Materialtransport in einer Fertigungszelle lässt sich das illustrieren: Es besteht aus einem Führungszylinder mit einem Druckluft-bewegten und SPS-gesteuerten Schlitten, der sich jeweils zwischen linker und rechter Endposition hin und her bewegt. An den Endpunkten des Führungszylinders befindet sich ein Näherungssensor mit einem Schaltpunkt, um der SPS vom Typ Siemens S7-1200 die aktuelle Endposition des Schlittens anzuzeigen. Nur durch den Netzwerk-Zugriff per RFC1006-Protokoll (ISO-on-TCP) auf die beiden S7-1200-Eingänge für X1 und X4 lassen sich im PM-Gateway schon einmal die folgenden Condition Monitoring-Informationen gewinnen:

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  • • Bisherige Gesamtstrecke des Schlittens – Der Schlitten auf dem Führungszylinder hat eine maximale Laufleistung, zum Beispiel 3.000 Kilometer. Durch das Zählen der erreichten Endpositionen X1 und X4 lässt die sich Gesamtstrecke errechnen und eine Aussage zur möglichen Restlaufleistung ableiten.
  • • Genaue Anzahl aller Ventilbetätigungen in der Ventilinsel – Für alle zum pneumatischen Subsystem gehörenden Ventile können an Hand der Endpositionen X1 und X4 die Anzahl der Ventilschaltvorgänge gezählt und die gemäß Datenblatt mögliche Restlebensdauer errechnet werden.
  • • Zeitspanne für die Schlittenbewegung von links nach rechts und umgekehrt – Über die Zeitmessungen zwischen den Betätigungen der Schaltkontakte an den Endpositionen X1 und X4 lässt sich etwa ein Überdruck (Schlitten zu schnell), ein Unterdruck oder eine mechanische Überlastung (Schlitten zu langsam) sowie Verschleiß an Schlitten und Führungszylinder erkennen.
  • • Stoßdämpfernutzung – Durch Errechnen der Schlittengeschwindigkeit und Zählen der Schlittenbewegungen zwischen den Endpunkten X1 und X4 ist die Auffahrgeschwindigkeit sowie die maximale Energieaufnahme pro Hub und pro Stunde grob bestimmbar. Diese Daten reichen allerdings in der Praxis nicht aus, um die Restlebensdauer eines Stoßdämpfers zu ermitteln.

Vorhersage vor Ort

Alle Zeitmessungen und Berechnungen zur Schlittengeschwindigkeit sind relativ ungenau, solange nur die digitalen Näherungssensorsignale der Endpunkte X1 und X4 zur Verfügung stehen. In der Schlittenlaufzeit zwischen diesen Endpunkten sind auch die von verschiedenen Parametern abhängigen Dämpfungsphasen der Stoßdämpfer-Hubstrecken (Zeitspannen t1 und t2 in der Abbildung links) enthalten. Insofern wird der Schaltzeitpunkt der Näherungssensoren an X1 und X4 immer um die nicht konstante Energieabsorptionszeit der Stoßdämpfer verzögert. Die beiden Stoßdämpfer an den Schlittenenden sind aber auch die kritischen Komponenten des gesamten pneumatischen Subsystemes. Reicht die Dämpfung nicht mehr aus, fährt der Schlitten ungebremst an den Anschlag des Führungszylinders. Dadurch kann es zu irreparablen Schäden am gesamten Subsystem kommen. Insofern ist es sinnvoll, den Zustand der Stoßdämpfer in das Condition Monitoring einzubeziehen und hierfür zusätzliche Sensoren zu installieren. Will man nun die Wirkung der Stoßdämpfer für das Condition Monitoring messen, sollten die einfachen Näherungssensoren mit je einem Schaltkontakt durch eine spezielle Variante mit zwei Schaltkontakten ersetzt werden. Der räumliche Abstand zwischen den beiden Schaltern in einem Näherungssensor wird bei der Inbetriebnahme in einen direkten räumlichen Zusammenhang zur Stoßdämpfer-Hubstrecke gesetzt. Diese Erweiterung ergibt mit X2 (Anfang der Hubstrecke linker Stoßdämpfer) und X3 (Anfang der Hubstrecke rechter Stoßdämpfer) zwei neue Punkte auf der X-Achse. Da X1 und X4 ja nicht nur den Schlittenendpunkten auf dem Führungszylinder, sondern auch dem jeweiligen Ende der Stoßdämpfer-Hubstrecken entsprechen, lassen sich nun die Zeitspannen t1 (Hubzeit linker Stoßdämpfer) und t2 (Hubzeit rechter Stoßdämpfer) für jede Schlittenbewegung Millisekunden-genau ermitteln.

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