Exklusiv für Abonnenten

Wie sich mit New Work die Unternehmenskultur ändert

Neue Arbeitskultur
braucht Kompetenzen

In der Pandemie waren fast alle Schreibtisch- und Wissensarbeiter im Homeoffice. Vor allem die Generationen Y hat auch weiterhin den Wunsch nach mobiler Aarbeit. Geht es um New Work, greifen eine neue Führungskultur und Home-Office aber noch zu kurz. “Die neue Arbeitskultur wird nur Früchte tragen, wenn Unternehmen in den Kompetenzaufbau ihrer Mitarbeiter und Weiterbildungskurven investieren”, ist Markus Dohm, Executive Vice President Academy & Life Care bei TÜV Rheinland, überzeugt.

(Bild: : ©David Pereiras/stock.adobe.com)

Wie sieht die Welt morgen aus, in der wir gut und gerne leben? Wie wollen wir überhaupt leben und arbeiten? Was ist ein gutes Leben? Was ist eine gute Arbeit? Diese Fragen bewegten schon den jungen Frithjof Bergmann. In den achtziger Jahren entwickelte der Philosoph und Kulturanthropologe seine Thesen zur ‘New Work’. Was als Beschäftigungsprojekt anfing, steht heute für die Idee einer neuen Arbeitswelt, die zentrale Werte von Bergmann aufgreift: Selbständigkeit, Handlungsfreiheit und Teilhabe an einer Gemeinschaft für alle Menschen in einer Organisation. Auch bei den aktuellen Debatten um ‘New Work’ stehen diese Werte im Zentrum. Darüber hinaus mischen sich parallel laufende Entwicklungen in die Frage nach der Zukunft der Arbeitswelt: die zunehmende Akademisierung der Arbeit in der Informations- und Wissensgesellschaft, Forderungen der jüngeren Generationen nach Mitgestaltung sowie die Digitalisierung. Angesichts des technologischen und gesellschaftlichen Wandels kann New Work ein Modell sein, mit dem Unternehmen anpassungsfähiger werden. Dafür aber muss sich aber mehr ändern als die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle.

Neue Arbeitskultur

Mit der Digitalisierung und New Work muss auch eine neue Arbeitskultur entstehen. Denn mit digitalen und virtualisierten Produktionsmitteln wird die Vernetzung von Prozessen, Menschen und Maschinen über zeitliche und räumliche Grenzen hinaus beschleunigt. Diese Digitale Transformation führt besonders dann zu Produktivitätsfortschritten und Unternehmenserfolg, wenn neue Kunden- oder Marktanforderungen in selbstorganisierten und agilen Projektgruppen bearbeitet werden. Der Faktor ‘Time to Market’ wird immer bedeutender, wenn sich Unternehmen im Wettbewerb behaupten wollen.

Anders als klassische Linien-, Stabs- oder Matrix-Organisationen entfallen in projektbasierten Organisationen lange Vorbereitungs- und Entscheidungsprozesse. Voraussetzung für ihren Erfolg ist allerdings auch ein völlig anderes Führungsverständnis. Statt in Hierarchien komplexe Entscheidungs- und Abstimmungswege zu administrieren, ist die Delegation von Verantwortung in Projektteams gefragt. An die Stelle von Weisungen und Vorgaben treten Zielvereinbarungen, Projektpläne mit Budgetbereitstellung. Statt disziplinarischen Sanktionen sind Coaching und Personalentwicklung notwendig, um in jedem Team die bestmögliche Mischung von fachlichen, technischen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen herzustellen. Für ältere Vorgesetzte und Manager der Babyboomer-Generation (bis zum Jahrgang 1965) bedeutet dies faktisch eine Infragestellung ihrer bisherigen Position und Aufgabenbeschreibung.

Weil diese noch in der alten Arbeitswelt sozialisiert wurden, sperren sich die älteren häufig gegen New Work. Für sie gehört die erreichte Hierarchieposition zu den wichtigen Motiven ihrer Arbeit. Aber mit New Work verlagert sich die Macht weg von Hierarchieebenen in Projekte. Macht entsteht temporär mit Erfolgen eines Teams oder der Leistung einzelner Teammitglieder, die schneller als andere eine Herausforderung mit neuen Ideen, den Einsatz innovativer Technologien oder der Adaption bisheriger Methoden lösen können. Dafür brauchen alle Mitarbeiter stets aktuelle digitale Kompetenzen und vielfach auch ein Coaching, um mit den permanenten Veränderungsprozessen klarzukommen. Aus diesen technologiegetriebenen und individuellen Anforderungen an Menschen in Projekten erwächst für Führungskräfte eine noch stärkere Verantwortung für die Personalentwicklung ihrer Mitarbeiter. Zumal sich die Erwartungen und Haltungen der jüngeren Generationen grundsätzlich geändert haben.

Generation Y fordert New Work

Es ist vor allem die Generation Y (ab 1980 geboren), die einerseits von den älteren Generationen vehement New Work fordern, aber auch damit besser zurechtkommen als die Babyboomer. Die Alterskohorten der heute 25- bis 40-Jährigen, die rund elf Millionen aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen stellen, unterscheidet sich in ihren Präferenzen und Werten von den Babyboomern. Es ist die erste Generation, die mit dem Computer sozialisiert wurde und als Teenager mit Internet und mobilen Endgeräten aufgewachsen ist. Sie arbeiten lieber in Teams mit flachen Hierarchien. Bereits seit ihren Ausbildungszeiten, häufig an Hochschulen und mit Auslandssemestern, sind sie Projektarbeit gewohnt.

Sie haben auch begriffen, dass es das frühere ‘Ausgelernt’ nicht mehr gibt. Lebenslanges Lernen ist für diese ‘Digital Natives’ selbstverständlich und mittlerweile auch ein Kriterium, ob sie sich bei einem Arbeitgeber bewerben oder den Job wechseln. Wichtiger als Status ist ihnen die Freude an ihrer Arbeit, die zudem auch ethisch und moralisch Sinn stiften sollte. Aber auch ihr Familienleben ist ihnen heilig und sie streben nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Privatem.

Selbstverwirklichung im Job ist ihnen mindestens genauso wichtig wie Sicherheit. Von ihren Arbeitgebern fordern sie eine klare Haltung und Transparenz, sie wollen mitgestalten und für einen guten Zweck arbeiten. So ergab eine Befragung der weltweit operierenden Arbeitsmarktforscher von Glassdoor aus dem Jahr 2019, dass 89 Prozent der Angestellten es für wichtig halten, dass ihr Arbeitgeber sich mit einer klaren Unternehmensphilosophie positioniert. 61 Prozent der deutschen Teilnehmer gaben an, hauptsächlich wegen der Unternehmenskultur bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben. Fast 80 Prozent prüfen vor einer Bewerbung dieses Leitbild. Kurzum: Die Werte von New Work passen zu den Werten der Generation Y, die nach Selbständigkeit, Handlungsfreiheit und Teilhabe an einer Gemeinschaft strebt. Und damit die Generation Y das Steuer erfolgreich übernehmen kann, wenn die Babyboomer ab Mitte der Dekade in den Ruhestand gehen, sollten Unternehmen jetzt den anstehenden Kulturwandel gestalten. Und hier muss jedes Unternehmen einen eigenen Weg finden. Eine neue Führungskultur und Home-Office-Regelungen greifen hier aber noch zu kurz.

Das könnte Sie auch interessieren

Nach Bitkom-Berechnungen fehlen bis zum Jahr 2040 mehr als 660.000 IT-Fachkräfte. Welche Maßnahmen helfen könnten, diesem Trend entgegenzuwirken, hat der Verband beleuchtet. Potenziale liegen unter anderem darin, mehr Frauen für IT-Berufe zu begeistern oder den Quereinstieg zu erleichtern.‣ weiterlesen

Jeder zweite Betrieb investiert laut einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall zu wenig am Standort. Demnach verfügen rund 48 Prozent der Unternehmen über eine Transformationsstrategie. Zudem sehen die Betriebsräte ein erhöhtes Risiko für Verlagerungen.‣ weiterlesen

Die Zahl der offenen Stellen in den Ingenieurberufen ist trotz konjunktureller Eintrübung hoch. Laut VDI Ingenieurmonitor beginnen allerdings weniger Menschen ein Studium in Ingenieurwissenschaften und Informatik.‣ weiterlesen

Für die Digitalisierung braucht es in Zukunft mehr Fachkräfte. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, in welchen Digitalisierungsberufen bis 2027 die meisten Stellen unbesetzt bleiben dürften.‣ weiterlesen

Marktunsicherheiten halten Unternehmen laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Horváth nicht von Transaktionen ab. Sechs von zehn Industrieunternehmen sind gezielt auf der Suche nach Kaufoptionen mit KI-Expertise.‣ weiterlesen

Deutsche Unternehmen sehen den Einsatz von Digitalisierung und KI zur Optimierung der Effizienz und zur Senkung des Energieverbrauchs als effektiver an als Offshoring. Das geht aus einer Untersuchung von Statista im Auftrag von Avanade hervor.‣ weiterlesen

Laut einer Untersuchung der Job-Plattform Stepstone halten Unternehmen vermehrt nach Beschäftigten mit KI-Skills Ausschau. Soft Skills sind im untersuchten Zeitraum sogar noch gefragter gewesen. Für die Untersuchung hat Stepstone alle Stellenangebote seit 2019 analysiert.‣ weiterlesen

Die Ausgaben der Wirtschaft für Innovationen sind im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr in Deutschland deutlich um 6,8 Prozent auf 190,7Mrd.€ angestiegen. Dies geht aus der aktuellen Innovationserhebung 2023 des ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hervor.‣ weiterlesen

Für das aktuelle Allianz Risk Barometer wurden 3000 Risikoexperten befragt. Das ­Ergebnis: Als größte Risiken nennen die Teilnehmer Datenpannen, Angriffe auf kritische Infrastruktur oder Vermögenswerte und vermehrte Ransomware-Attacken. Anders als weltweit schafft es der Fachkräftemangel in Deutschland auf Platz 4.‣ weiterlesen

In Potsdam laufen die Vorbereitungen für eine vollständig digitale Universität. Die beiden Initiatoren Mike Friedrichsen und Christoph Meinel wollen damit dem IT-Fachkräftemangel entgegenwirken.‣ weiterlesen

Der Fachkräftemangel ist für viele Unternehmen ein drängendes Problem. Laut einer Studie von Schneider Electric und Omdia sind 70 Prozent der darin befragten Industrieunternehmen der Meinung, dass die Digitalisierung dazu beiträgt, dieses Problem zu bewältigen. 45 Prozent sehen in der Digitalisierung sogar den Hauptgrund für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.‣ weiterlesen