Exklusiv für Abonnenten

Externes Fachwissen für den Entwicklungsprozess

Industrielle Zusammenarbeit

Fachkräftemangel ist ein Schlagwort, das auch aus der Industrie kaum mehr wegzudenken ist. Die Anzahl der offenen Ingenieursstellen suggeriert jedoch ein Bild der Lage, welches junge Absolventen im verzweifelten Bewerbungsprozess nicht immer bestätigen können. Viele Stellen bleiben unbesetzt. Hier zeigt sich, dass die Schmerzen der Industrie im Grunde nicht durch einen Fachkräftemangel, sondern oftmals durch einen Fachwissenmangel hervorgerufen werden.

(Bild: ©goodluz/Shutterstock.com)

Ältere, erfahrenen Konstrukteure, die allmählich aus den Unternehmen ausscheiden, verfügen über ein großes Fertigungsfachwissen, dessen Verlust oft nur schwer zu kompensieren ist. Die letzte Generation der Konstrukteure besaß den Vorteil, inmitten des Geruchs von Schmierstoffen und Metallspänen groß geworden zu sein. Viele dieser Jahrgänge haben ihr Handwerk in der Fertigung erlernt und sich allmählich in die Konstruktionsabteilung vorgearbeitet. Sind also als Experten in ihr Unternehmen und seine Abläufe hineingewachsen.

Elementares Wissen

Das Wissen darüber, ob und wie ein Bauteil gefertigt werden kann, aber auch mit welchem Aufwand und zu welchen Kosten, ist elementar für den Entwicklungsprozess. Viele Konstrukteure neigen dazu, Bauteile nach ‘Funktion’ zu konstruieren (Design-to-Function), das heißt das Bauteil erfüllt zwar alle Stabilitäts-, Funktions- und Geometrieanforderungen, die Herstellbarkeit und Beschaffungskosten werden dabei aber nur unzureichend berücksichtigt. Die Folge davon ist, dass erst sehr spät im Beschaffungsprozess, wenn die Zeichnungen vom Teilefertiger geprüft werden, die fertigungstechnischen Defizite der Konstruktion aufgedeckt werden. Es kann zu zu teuren, nachträglichen Bauteiländerungen, großem Abstimmungsaufwand und letztendlich zu unnötig hohen Beschaffungskosten kommen, da nicht alle fertigungstechnischen Potenziale ausgenutzt werden konnten. Laut einer Umfrage unter Gießereien ist jede dritte Bauteilzeichnung nicht im angefragten Verfahren fertigbar, über die Hälfte der Bauteile muss konstruktiv angepasst werden und mehra als 50 Prozent weist fehlerhafte Dokumentation oder nicht normgerechte Toleranzen auf. Hier hat sich Potenzial versteckt, das es zu heben gilt. Schließlich hat der Konstrukteur 80 Prozent der beinflussbaren Herstellungskosten in der Hand.

Fertigungsperspektive berücksichtigen

Das Potenzial für Kosteneinsparungen durch eine konsequente Berücksichtigung der Fertigungsperspektive während der Entwicklung (‘Design-for-Manufacturing-and-Assembly’/ ”Design-to-Cost’) ist enorm. Nicht jeder Konstrukteur verfügt jedoch über das Wissen, um seine Bauteile im jeweiligen Fertigungsverfahren zu optimieren bzw. in alternative Verfahren und Materialien zu überführen. Die ‘Rule of 10’ besagt, dass die Kosten der Fehlerbehebung in jeder einzelnen Stufe der Wertschöpfungskette um den Faktor 10 steigen. Dieses Problem hat man in der Industrie erkannt und begegnet ihm mit organisatorischen Maßnahmen, wie z.B. einer frühen Integration von Lieferanten in den Entwicklungsprozess (Advanced Purchasing) oder dem Aufbau von Simultaneous Engineering Teams. Ebenso wird versucht einen internen Experten-Pool aufzubauen, um bei technologischen Fragestellungen die operativen Einheiten unterstützen zu können. Diese Ansätze geraten jedoch zunehmend an ihre Grenzen. Die frühzeitige Integration von Lieferanten z.B. steht sowieso vor allem Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht zur Verfügung und wird von den Lieferanten nur bei sicherer Auftragsvergabe akzeptiert. Die Verfügbarkeit und Reaktionsschnelligkeit der In-house-Experten entspricht nur selten der notwendigen Lösungsgeschwindigkeit operativer Fragestellungen. Zudem erweist sich der Aufbau eines eigenen Expertenpools gerade für exotische Verfahren als äußerst kostenintensiv. Das ist nicht zuletzt Schade, da mit dem notwendigen Wissen für eine fertigungsgerechte Konstruktion bis zu 40 Prozent der Bauteile günstiger hergestellt werden können.

Das könnte Sie auch interessieren

Digitale Tools bringen den Aufbau einer Circular Economy auf Touren, wenn sie systemisch eingesetzt werden. Wie das gelingen kann, zeigt die Studie 'Digitale Enabler der Kreislaufwirtschaft' anhand von drei sehr unterschiedlichen Produkten: T-Shirts, Waschmaschinen und Einfamilienhäusern. Die Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) arbeitet heraus, welche digitalen Technologien und Anwendungen Wertschöpfungsketten zirkulär gestalten können - und wie die einzelnen Enabler im Zusammenspiel ein erweitertes Potenzial entfalten.‣ weiterlesen

Aktuell prägen vier Trends die Automatisierung und setzen die produzierende Industrie unter Transformationsdruck. Die Antwort auf die Herausforderungen liegt in der Integration taktiler Roboter und ihrer datengetriebenen Programmierung. Auf diesen Bereich hat sich ArtiMinds mit seinen Softwarelösungen spezialisiert.‣ weiterlesen

Das IFL am Karlsruher Institut für Technologie und der IAS an der Universität Stuttgart entwickeln einen anpassungsfähigen Roboter mit Greifsystem, der menschliche Fähigkeiten durch Nachahmung erlernt. Dafür haben sie mit dem ICM-Zukunftslabor HaptXDeep in Karlsruhe eine Forschungsinfrastruktur aufgebaut - ausgestattet mit einem Komplettsystem der Firma Shadow Robot und finanziert aus Mitteln des InnovationsCampus Mobilität der Zukunft (ICM).‣ weiterlesen

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat den aktuellen Lagebericht zur IT-Sicherheit veröffentlicht. Daraus geht unter anderem hervor, dass mehr neue Schadprogrammvarianten identifiziert wurden und die Zahl der Ransomware-Angriffe zugenommen hat. Doch auch Ransomware-Opfer werden resilienter.‣ weiterlesen

Das große KI-Sprachmodell des Forschungsprojekts OpenGPT-X steht ab sofort auf Hugging Face zum Download bereit: 'Teuken-7B' wurde von Grund auf mit den 24 Amtssprachen der EU trainiert und umfasst sieben Milliarden Parameter. Akteure aus Forschung und Unternehmen können das kommerziell einsetzbare Open-Source-Modell für ihre eigenen Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) nutzen.‣ weiterlesen

Das Forschungsprojekt Simobot der Frankfurt UAS, der SimPlan AG und weiterer Partner entwickelt prädiktive Simulationsansätze für mobile Transportroboter. Unter anderem soll ein Demonstrator entstehen, der der Materialflusssimulation und Flottenmanagement verknüpft. Auf einem Kickoff-Meeting haben die Beteiligten erste Weichen für das Projekt gestellt.‣ weiterlesen

Künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Mit Edge Computing rückt sie nah an die Produktion heran. Für Unternehmen verspricht das viel Potenzial für Echtzeit-Anwendungen. Doch wie wenden sie die Technologie effizient an?‣ weiterlesen

Der Sicherheitsplattformanbieter Check Point prognostiziert, wie Cyberkriminelle im kommenden Jahr mit neuen Technologien und Taktiken die globale Bedrohungslandschaft verändern könnten.‣ weiterlesen

Der Digital Product Passport soll den ökologischen und digitalen Wandel forcieren, ist dem Vorschlag der Europäischen Kommission zu entnehmen. Indem entlang der Lebenszyklen von Produkten Informationen digital bereitstehen, sollen Ressourcenverbrauch und Entsorgungslasten massiv reduziert werden. Reparatur, Wiederverwendung, Umwidmung und Verwertung alter Produkte sollen die Kreislaufwirtschaft voranbringen.‣ weiterlesen

Die universitäre Forschung ist laut einer Untersuchung des EPA für 10,2 Prozent aller Patentanmeldungen in Europa verantwortlich. Führende Länder sind hier Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Italien. Die Hälfte aller universitären Patentanmeldungen stammt von einer kleinen Gruppe europäischer Hochschulen.‣ weiterlesen

60 der vom Spezialversicherer Hiscox befragten Unternehmen wurden häufiger Opfer von Cyberangriffen. 46 Prozent verloren durch die Angriffe Kunden und ein Viertel hatte Kosten von mehr als 500.000 Euro.‣ weiterlesen