Wem gehören die Daten der Industrie 4.0?

In der Smart Factory erfolgt die Optimierung der Produktionsabläufe aufgrund einer Vielzahl von Messdaten, die durch Sensoren an den Maschinen erfasst werden. Um auch diese Messdaten in den Analyseprozess aufnehmen zu können und dadurch die Auswertung und Wertschöpfung zu verbessern, ist zu klären, wem diese Daten letztlich zuzuordnen sind. Darf etwa ein Produktionsunternehmen diese Daten überhaupt verwenden, oder gehören diese z.B. dem Hersteller der Maschine, welchen man zuerst um Erlaubnis fragen müsste?

Besteht nach der aktuellen Gesetzeslage überhaupt ein Eigentum an Daten? Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache über diese nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Damit verleiht das Eigentum einerseits positiv ein umfassendes Nutzungsrecht und andererseits kann der Eigentümer andere von der Nutzung ausschließen (negatives Abwehrrecht). Voraussetzung des § 903 BGB ist jedoch, dass Daten eine Sache darstellen. Sachen sind gem. § 90 BGB jedoch nur körperliche Gegenstände. Darunter fällt zwar das physische Medium auf dem Daten gespeichert sind. Daten selbst sind jedoch gerade nicht verkörpert, sodass kein durch das Eigentum begründetes Nutzungsrecht an den Daten besteht.

Um dennoch ein eigentumsähnliches Recht an Daten zu begründen, ist zu überlegen, ob das Recht an Daten als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. § 823 Abs. 1 BGB schützt aber nur die in der Vorschrift aufgezählten absoluten Rechte wie den Körper, das Leben, die Gesundheit und neben dem Eigentum auch sonstige Rechte. Über die Norm kann der Rechtsinhaber Eingriffe in sein Recht abwehren und bei einer Verletzung Schadensersatz verlangen. Voraussetzung für die Einordnung als absolutes Recht ist aber, dass das Recht Wirkung gegenüber jedermann entfaltet. Zwar erkennt die Rechtsprechung an, dass Datenbestände zu den selbstständigen vermögenswerten Gütern gehören (BGHZ 133, 155). Die Annahme eines absoluten Rechts an Daten konnte sich bisher jedoch nicht durchsetzen. Außerdem ist unter Juristen umstritten, ob die Einordnung als sonstiges Recht neben der Abwehrkomponente auch die positive Nutzungsbefugnis beinhalten soll. Dahin gehen die Überlegungen, wenn man solche Daten als ‘Splitter’ des allgemeinen Persönlichkeitsrecht ansieht, für welches der BGH (BGH, GRUR 200, 709) eine vermögensrechtliche Stellung der betreffenden Person anerkannt hat (Bräutigam, MMR 2012, 635).

Kann man vielleicht ein Recht an Daten aus den strafrechtlichen Normen der §§ 202a-c, 303a StGB herleiten, in dem man diese als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 ansieht? Die §§ 202a-c, 303a StGB stellen unter bestimmten Umständen das Ausspähen von geschützten Daten sowie die Beeinträchtigung von deren Integrität von Daten unter Strafe. Zwar ist unter den Juristen anerkannt, dass eine Verletzung von §§ 202a-c, 303a StGB auch zivilrechtliche Ansprüche (z.B. Schadensersatz, Unterlassung) auslöst, die der Verletzte über § 823 Abs. 2 BGB durchsetzen kann. Daraus allein folgt jedoch keine ausschließlichkeitsrechtliche Zuweisung von Daten im Sinne eines ‘Eigentums’ (Specht, CR 2016, 288 (289)).

Im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Zuordnung von Daten wird ein zivilrechtlicher und strafrechtlicher Schutz über das ‘Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen’ (§§ 17, 18 UWG) herbeigeführt. Diese Regelungen führen aber wiederum nicht zu einem eigentumsähnlichen Schutz an Daten, sondern nur zu einem Abwehrrecht hinsichtlich der unbefugten Mitteilung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, die möglicherweise in den Daten enthalten sind.

Ein urheberrechtlicher Schutz von Big Data gem. § 4 Abs. 2 UrhG als Datenbank setzt voraus, dass ein Sammelwerk, welches eine auf Grund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, vorliegt. Eine nach § 4 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfung ist bei einer reinen Datenansammlung in der Regel aber gerade nicht gegeben, sodass ein urheberrechtlicher Schutz hier ausscheidet.

In Betracht könnte noch ein Schutz des Datenbankherstellers gem. § 87a UrhG kommen. Eine Datenbank ist nach § 87 a UrhG eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Big Data ist oftmals gerade nicht im herkömmlichen Sinne nach einer bestimmten Weise geordnet. Abzugrenzen ist daher das Vorliegen einer Datenbank vom Vorliegen eines bloßen ‘Datenhaufens’, der mangels Vorliegen einer systematischen oder methodischen Ordnung sowie Fehlens eines Zugangs mit elektronischen Mitteln nicht dem Schutz der §§ 87a ff. UrhG unterfallen kann (Götz, ZD 2014, 563, (565)).

Nach Erwägungsgrund 21 der Datenbankrichtlinie (RL 96/9/EG ) ist es nicht erforderlich, dass eine physische Speicherung der Daten in geordneter Weise erfolgt. Maßgeblich ist allein, ob auf der Zugriffsebene der Nutzer die einzelnen Elemente systematisch und methodisch recherchieren kann. Das ungeordnete Einspeisen in den physischen Speicher ist insofern für Datenbanken typisch (Thum/Hermes, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 87a, 21). Ausreichend ist damit, wenn erst das Abfragesystem die schutzbegründende systematische oder methodische Ordnung herbeiführt (Erwägungsgrund 21 der DatenbankRL; OLG Köln, MMR 2007; 443).

Letztlich kann aber auch das Datenbankherstellerrecht nicht zu einem Ausschließlichkeitsrecht am Datum selbst führen, sodass auch aus §§ 87a ff. keine eigentumsähnliche Rechtseinräumung folgen kann.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass nach herrschender Auffassung nach geltendem Recht weder ein Eigentum an Daten im Sinne des § 903 BGB besteht noch ein dem Eigentum vergleichbares Recht mit absoluter Wirkung an selbigen. Über § 17 UWG oder §§ 87a ff. UrhG werden dem Berechtigen zwar Abwehrrechte gegeben, diese führen jedoch mangels Zuweisung eines umfassenden Nutzungsrechts nicht zu einem dem Eigentum gleichstehenden Schutz.

Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der eigentumsrechtlichen Zuweisung bleibt die Frage nach der Zuweisung der Daten zu beantworten. Insbesondere Unternehmen haben ein Interesse daran, dass die Zuweisung von Daten zu demjenigen erfolgt, der in deren Herstellung investiert, unabhängig von einem Personenbezug (Specht, CR 2016, 288, (291)). Die Zuweisungsentscheidung wird letztlich aus wirtschaftlicher Sicht getroffen. Streitig ist dabei aber, auf welche wirtschaftlichen Gesichtspunkte in diesem Zusammenhang abzustellen ist. Nachfolgend wird exemplarisch auf verschiedene Konstellationen einer problematischen Zuordnung eingegangen.

Die Frage der Zuweisung der Daten stellt sich z.B., wenn der Hersteller Daten auswerten möchte, die im Rahmen der Nutzung durch den Kunden entstehen. Solche Daten sind beispielsweise bei der Nutzung eines Automobils generierte Messdaten. Teilweise wird vertreten, dass diese Daten dem Betreiber der Maschine, also dem Halter zuzurechnen sind, da der Betrieb der für die Entstehung der Daten maßgebliche Skripturakt ist (Hoeren, MMR 2013, 486). Die Sicht der Hersteller geht dahin, dass ihnen die Daten aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für die Herstellungs- und Entwicklungskosten, der die Daten erfassenden Technologie, zuzuweisen sind. Dabei wird bei letzterer Auffassung die Zuordnung noch komplizierter, wenn mehrere Unternehmen an der Erstellung der Technologie beteiligt sind.

Bei der Analyse von Big Data ist die Zuweisung ebenfalls nicht einfach zu treffen. Problematisch ist diese insbesondere, wenn Daten ausgewertet werden, die vom Dienstleister erhoben worden sind (bspw. bei Smart-Analytics Verfahren). Nach Ansicht der Dienstleister sind die Daten ihnen zuzuordnen, weil sie Träger der wirtschaftlichen Aufwände sind und sie auch als Datenbankhersteller i. S. d. § 87a UrhG anzusehen sind (Peschel/Rockstroh in DSRITB 2014, 309 (313)).

Die Zuweisung bei Speicherung von Daten in der Cloud ist wie oben zu behandeln und in diesem Zusammenhang nach der wirtschaftlichen Zuweisung zu fragen. Allerdings enthalten die Verträge der Cloud-Anbieter in aller Regel Dateneigentumsklauseln, die dem Cloud-Nutzer die Rechte an den Daten zuweisen.

Wie vorstehend beschrieben, besteht aufgrund der Schwierigkeit, eine eindeutige Zuordnung von Daten nach geltender Rechtslage vorzunehmen, eine große Notwendigkeit für vertragliche Regelungen. Zwar wird durch eine solche schuldrechtliche Vereinbarung keine dingliche und damit eigentumsähnliche Wirkung erzeugt, aber der Nutzungsumfang kann beschränkt werden und durch technische Vorkehrungen, die eine nicht berechtigte Nutzung verhindern, kann eine quasi-dingliche Wirkung erzeugt werden.

Nach geltendem Recht besteht also kein umfassendes dingliches Recht an Daten, das einem Eigentum an Sachen vergleichbar wäre. Zwar kann man häufig eine Güterzuweisung vornehmen, jedoch muss derjenige, welcher ein Recht an den Daten geltend machen muss, aus einem ‘Flickenteppich’ von Regelungen sich ein Abwehrrecht heraussuchen, das auf seinen Fall passt, und es ist nicht gesichert, dass der konkrete Fall abgedeckt ist.

In Anbetracht der weitreichenden Bedeutung von Daten erscheint eine dingliche Zuweisung überlegenswert (Specht, CR 2016, 288 (296)). Dafür spricht, dass dadurch das Gesetz die Grundlage für eine geordnete und eine gerechte Verteilung des Nutzens von Big Data Anwendungen bilden würde. (Zech, CR 2015, 137, (146)). Andere Stimmen gehen davon aus, dass die bisher bestehende Gesetzeslage ausreichend ist (Dorner, CR 2014, 617, (626); so im Ergebnis auch Grützmacher, 485, (495) mit Ausnahme von dinglichen Herausgabeansprüchen). Die geltende Rechtslage birgt jedenfalls eine erhöhte Streitgefahr, da beispielsweise im Rahmen von Produktionsabläufen in der Smart Factory gerade verschiedene potenzielle Rechtsinhaber in Frage kommen. Letztlich müsste in einem solchen Gesetz der genaue Umfang der dinglichen Zuweisung geklärt werden, um eine die Arbeit der Praxis tatsächlich erleichternde Regelung zu schaffen.

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