Wie weit ist die digitale Revolution bei KMU?

TÜV Rheinland hat gemeinsam mit Lünendonk & Hossenfelder die Studie ‘Digitaler Reifegrad im Mittelstand 2017’ (Das INDUSTRIE 4.0-MAGAZIN berichtete in Ausgabe 14) erarbeitet. Sie beleuchtet Fragen, die für mehrere Stakeholder von strategischer Bedeutung sind. Der Digitalisierungsspiegel führt die Studie nun weiter.

Prof. Dr. Kai H?hmann, Gesch?ftsf?hrer der T?V Rheinland Consulting. (Bild: T?V Rheinland Consulting GmbH)

Prof. Dr. Kai Höhmann, Geschäftsführer der TÜV
Rheinland Consulting. (Bild: TÜV Rheinland Consulting GmbH)

Der Mittelstand ist sich der gegenwärtigen Transformation sehr wohl bewusst: 60 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen erwarten demnach ‘starke’ oder ‘sehr starke’ Veränderungen für die eigenen Geschäftsmodelle. Rund 30 Prozent der Studienteilnehmer sind ‘digitale Pioniere’, 14 Prozent ‘digitale Verfolger’ und 24 Prozent ‘digitale Nachzügler’. Am anderen Ende der Skala weisen mit 32 Prozent die ‘analogen Bewahrer’ deutliche Digitalisierungsrückstände auf. Dennoch: “Bei den befragten mittelständischen Unternehmen war das digitale Reifegradniveau recht hoch – was bedeutet, dass evaluierten Organisationen die Entwicklung aktiv gestalten und nicht einfach nur passiv abwarten”, resümiert Prof. Dr. Kai Höhmann, Geschäftsführer der TÜV Rheinland Consulting.

Digitalisierungsprofil mit Optimierungspotenzialen

Ein Ziel war es, Unternehmen noch stärker für die Notwendigkeit, sich mit der digitalen Transformation auseinanderzusetzen, zu sensibilisieren. “Das Potential der Digitalisierung mangels Expertise ungenutzt zu lassen, kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten, das langfristig am Markt bestehen will”, sagt Höhmann, “Die digitale Transformation ist ein Kraftakt, der aber auch viele Chancen birgt.” Ausgangspunkt für diesen Kraftakt ist eine individuelle Standortbestimmung. Dazu bedarf es allerdings nicht nur einer statischen Auswertung einer Befragung, sondern einer dynamischen Umsetzung als Online-Benchmarking.

Digitalisierungsspiegel

Um dies den Organisationen zu erleichtern, hat TÜV Rheinland einen Digitalisierungsspiegel entwickelt. Die Online-Befragung soll mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit geben, eine erste Einschätzung des laufenden Digitalisierungsstatus geben. Durch eine Reihe von Fragen, schätzen die Unternehmen ihren Digitalisierungsstand zunächst selbst ein. Im Anschluss werden die Angaben aller in Relation zueinander gesetzt und ausgewertet. Unternehmen erhalten so ein individuelles Digitalisierungsprofil, das konkrete Hinweise auf Optimierungspotenziale vermittelt und Handlungsbedarfe aufzeigt. Durch die Teilnahme unterschiedlichster Branchen wird faktisch auch die Studie fortgesetzt und es entsteht darüber hinaus ein fortlaufendes und aussagekräftiges Benchmarking mit aktuellen Ergebnissen.

Analoges Arbeiten bremst

Bislang ticken die Uhren in den traditionellen und stark durch den Mittelstand geprägten B2B-Branchen oft langsamer als in der digitalen Wirtschaft. Entwicklungszyklen umfassen oft mehrere Jahre, grundsätzliche Strategieentscheidungen zu Veränderungen des Geschäftsmodells fallen nur selten. Die Geschwindigkeit der Veränderungen nimmt jedoch rapide zu. Die Digitalisierung hat in kürzester Zeit schon viele Branchen transformiert – andere Sektoren könnten daraus wertvolle Erkenntnisse für konkrete Unternehmenssituationen ableiten. Aber nutzt der deutsche Mittelstand diese Chancen? In der Realität erleben die Berater von TÜV Rheinland sehr unterschiedliche digitale Reifegrade und Veränderungsgeschwindigkeiten. “Der Einsatz von Smartphones und Tablets für Mitarbeiter sagt noch nichts über den digitalen Reifegrad eines Unternehmens aus”, sagt Höhmann. “Trotz moderner Ausstattung arbeiten viele Unternehmen in der Praxis faktisch analog.” Prozesse haben erfahrungsgemäß oft noch viele Medienbrüche. Digitale Datenkreisläufe, die wertvolle Informationen über Zielgruppen, Kundenwünsche und mögliche neue Geschäftschancen beinhalten, werden unterbrochen. Sie lassen sich häufig weder effektiv beschleunigen noch nachhaltig auswerten. Somit bleiben viele Potenziale ungenutzt. Deutlich wird das z.B. dort, wo Daten manuell von einem System in ein anderes übertragen werden müssen. Lassen sich Unternehmen auf den digitalen Wandel ein und entwickeln sie neue Produkte und Dienstleistungen, weichen übergreifende Prozesse die vorhandenen Grenzen zwischen Unternehmensbereichen in der Regel auf. Herrschen jedoch unterschiedliche digitale Reifegrade und Veränderungsgeschwindigkeiten, kann das die digitale Transformation eines Unternehmens blockieren. Dazu kommen die organisatorischen Veränderungen durch eine neue Verteilung von Verantwortungen – ein Change-Prozess, der erfahrungsgemäß stets ressourcenintensiv ist.

Berater sollten die Branche kennen

Die Standortbestimmung allein reicht natürlich nicht. Wer sich auf den Weg durch die digitale Transformation macht, muss eine solide Strategie entwickeln, die sich an Geschäftszielen und Investitionsvolumen orientiert und dennoch in einem wettbewerbsorientierten Zeithorizont umzusetzen ist. Weil es an Erfahrung oder an der technischen Expertise fehlt, scheuen sich viele mittelständische Unternehmen, Digitalisierungsprojekte oder gar eine gesamte Strategie konsequent in Angriff zu nehmen. Ein Weg, dies auszugleichen, ist, externe Ressourcen hinzuzuziehen. Speziell geschulte Digitalisierungsteams haben einen objektiven Blick auf die Organisation. Diese profitiert wiederum von der Projektkompetenz und dem branchenübergreifenden Erfahrungsschatz der externen Berater und baut zugleich interne Kompetenz auf. Die Experten sollten die Branche kennen, die Komplexität verstehen und auch bei der Arbeit an Spezialthemen und (Teil-)Prozessen das große Ganze für den Kunden im Blick behalten. “Entscheidend für die Unternehmen ist, dass sich Investitionen schnell auszahlen”, so Höhmann. “Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss immer im Zeichen einer nachhaltigen Wertschöpfung stehen.”

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